Ex-EBS-Präsident: Droht Jahns Einweisung in die Psychiatrie?

Von am 1. September 2017
Christopher Jahns Schwertfeger

Im Strafverfahren gegen den ehemaligen EBS-Präsidenten und Gründer der XU Exponential University of Applied Sciences in Potsdam, Christopher Jahns, hat die Staatsanwaltschaft beantragt, den Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, damit er dort neu begutachtet wird. Das Gericht lehnte den Antrag ab. Nun entscheidet das Oberlandesgericht.

Im Oktober 2014 wurde das Strafverfahren gegen Ex-EBS-Präsident Christopher Jahns vorläufig eingestellt, weil ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten dem wegen gewerbsmäßiger Untreue angeklagten Jahns bescheinigt hatte, verhandlungsunfähig zu sein. Weitere Prozesstermine wären zu belastend für ihn.

Seitdem ruht das Verfahren. Bereits im Dezember 2016 hatte das Gericht schriftlich bestätigt, einen neuen Gutachter damit beauftragt zu haben, die Verhandlungsfähigkeit erneut zu überprüfen. Doch bis heute liegt offenbar kein neues Gutachten vor, weil sich der Angeklagte weigert, seinen Gesundheitszustand überprüfen zu lassen.

Strafverfahren gegen Ex-EBS-Präsident: Das Schweigen des Gerichts

Daher hat die Staatsanwaltschaft nun beantragt, den Angeklagten nach § 81 I StPO vorrübergehend in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, damit er dort neu begutachtet wird. Das hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden am 16. August abgelehnt.

Begründet wird dies damit, dass es „an den materiellen Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 81 StPO fehlt“. Durch die Weigerung der Mitwirkung des Angeklagten seien brauchbare Ergebnisse infolge einer Unterbringung nicht zu erwarten. Die bloße Möglichkeit, gegebenenfalls lediglich aus der Beobachtung des Angeklagten im Rahmen eines Aufenthaltes in einem psychiatrischen Krankenhaus Rückschlüsse auf seinen aktuellen Zustand zu ziehen, genüge nach Ansicht der Kammer vor diesem Hintergrund zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht aus.

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Weiter schreibt die Pressestelle des Landgerichts Wiesbaden: „Von einem Erfolg bisheriger Therapien zur Wiederherstellung der Verhandlungsfähigkeit sei nach Auffassung der Kammer nach der vom Verteidiger eingereichten Stellungnahme der den Angeklagten behandelnden Ärztin vom September 2015 und August 2016 nicht auszugehen.“

In einem Schriftsatz vom 17. Februar 2016 habe Jahns Verteidiger Alfred Dierlamm geltend gemacht, dass eine weitere Exploration des Angeklagten zur Untersuchung seines Gesundheitszustandes zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund von negativen Auswirkungen auf den noch andauernden Heilungsprozess unverhältnismäßig und rechtswidrig sei; allein durch eine erneute verfahrensbezogene Untersuchung, insbesondere durch eine weitere Exploration, würde der noch andauernde Heilungsprozess beeinträchtigt.

Auf eine Anfrage des Gerichts vom 20. Juli 2016 habe der Verteidiger mitgeteilt, dass der Angeklagte auf Empfehlung seiner behandelnden Ärzte an einer nochmaligen Exploration durch einen gerichtlichen Sachverständigen nicht mitwirken und auch keine Angaben zum Behandlungsverlauf machen werde.

Mit Schreiben vom 16. Januar 2017 habe der bestellte Sachverständige erklärt, dass gutachterliche Aussagen zu der Fragestellung des Beschlusses vom 24. November 2015 nur auf der Grundlage einer persönli­chen Untersuchung des Angeklagten möglich seien.

Doch die hat das Gericht nun abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft legte am 23. August Beschwerde gegen den Beschluss ein mit der wesentlichen Begründung, dass eine Alternative, die Verhandlungsfähigkeit – anders als im Rahmen der Anordnung nach § 81 StPO festzustellen – nicht erkennbar sei. Angesichts der nicht unerheblichen strafrechtlichen Vorwürfe, wäre die Unterbringung auch nicht unverhältnismäßig. In Betracht sei auch eine partielle Verhandlungsfähigkeit zu ziehen. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft erging ein Nichtabhilfebeschluss der genannten Kammer. Nun liegt der Fall beim Oberlandesgericht.

Gibt dieses der Beschwerde der Staatsanwaltschaft statt, könnte Jahns zur Begutachtung in die Psychiatrie eingeliefert werden. Lehnt es die Beschwerde ab, kann Jahns wohl weiter unbehelligt seinen geschäftlichen Aktivitäten nachgehen, ohne lästige Prozesstermine wegen des Untreue-Verfahrens befürchten zu müssen.

Warum es das Gericht seit fast drei Jahren nicht schafft, ein neues Gutachten erstellen zu lassen, ist unverständlich und erweckt den Eindruck, dass kein großes Interesse an einer weiteren Strafverfolgung besteht. Zumindest aber lässt sich das Gericht mit der Hinhalte-Strategie Dierlamms und der Weigerung von Jahns, seinen Gesundheitszustand überprüfen zu lassen, „vorführen“. Denn offenbar bestimmt hier der Angeklagte, ob seine Verhandlungsfähigkeit erneut überprüft wird und das Strafverfahren gegebenenfalls fortgesetzt wird. Damit könnte sich eigentlich jeder Angeklagte mit einem entsprechenden Gutachten aufgrund der großen psychischen Belastung durch seinen Strafprozess der Rechtsprechung entziehen.

Einstellen kann die Strafkammer des Landgerichts das Verfahren allerdings nicht. Dazu bedarf es der Zustimmung der Staatsanwaltschaft, die weiter auf die Wiederaufnahme des Hauptverfahrens besteht – sollte der Angeklagte wieder verhandlungsfähig sein. Die Verjährungsfrist für gewerbsmäßige Untreue in einem besonders schweren Fall – so wie es in der Anklage formuliert ist – liegt bei zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens – das wäre also Oktober 2024.

Besonders prekär: Der angeblich psychisch schwer angeschlagene Jahns ist bemerkenswert aktiv. So hat er nicht nur eine eigene Hochschule gegründet (und gehört dort im „XU Founders Board“ zum Management), schult Manager und ist bei diversen Veranstaltungen teils vor großem Publikum aufgetreten. Im Juli war Jahns er sogar Referent auf der exklusiven Veranstaltung „C-Suite“ des Handelsblattes.

Und in einem Video gibt er sich als erfolgreicher Geschäftsmann und schwärmt von Besuchern auf dem Pop-up-Campus der XU University aus Unternehmen wie Porsche, Grohe, DHL und Lufthansa und „unheimlich vielen Firmen, die wir sonst trainieren“. Im September 2018 sollen erstmals fünf Studiengänge an der XU in Potsdam starten. Auch sechs Inverstoren habe er schon gewonnen. Selbst ein großer Investor aus dem Silicon Valley soll bereits Interesse gezeigt haben.

Im Juni veröffentlichte das Online-Magazin „Gründerszene“ in einem Artikel die Falschmeldung, dass das Strafverfahren gegen Jahns 2014 eingestellt wurde, weil sich der Verdacht „nie erhärtet“ habe. Bis heute wurde der Artikel, auf den auch die von Jahns gegründete XU University verlinkt, nicht korrigiert. Auf die Frage, warum man falsche Tatsachen verbreitet, reagierte die Redaktion nicht.

Möglicherweise glaubt Jahns sogar selbst daran, dass das Verfahren eingestellt wurde. Zudem bleibt die Frage, warum er sich nicht dem Verfahren stellt und den Prozess zu Ende bringt, wenn er doch laut eigener Aussage unschuldig ist.

Der ehemalige Präsident der EBS Universität für Wirtschaft und Recht stand seit April 2013 wegen des Verdachts gewerbsmäßiger Untreue in Wiesbaden vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, dass er 180.000 Euro veruntreut hat. Das Geld wurde von der EBS an die Beratungsfirma BrainNet überwiesen, an der Jahns damals beteiligt war, ohne dass es – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – dafür entsprechende Leistungen gab. Die Gelder sollen dann von BrainNet an seine eigene Firmen in der Schweiz weitergeleitet worden sein. Jahns bestreitet seine Schuld.

Die Vorwürfe und die Anklage gegen Jahns, der bis April 2011 CEO und Präsident der EBS Universität für Wirtschaft und Recht war, hatten die Privatuniversität in eine massive Krise gestürzt. Ungeklärt ist dabei immer noch, ob ein Teil der 24,7 Millionen Euro, die das Land Hessen der Privathochschule für den Aufbau ihrer neuen juristischen Fakultät bezahlt hat, missbräuchlich verwendet wurde.

Seit April 2104 ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt daher wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Betruges gegen ehemalige EBS-Mitarbeiter, darunter auch gegen Jahns. Es geht um mindestens 1,6 Millionen Euro Fördergelder, die zweckwidrig verwendet worden sein sollen.

Nun hat auch der Wiesbadener Kurier das Thema aufgegriffen und titelt: „Fit fürs Geschäft, krank fürs Gericht: Ist der frühere EBS-Präsident Jahns verhandlungsfähig?“ Autor Wolfgang Degen schreibt, in Wiesbadener Justizkreisen spreche man von einem „Skandal“, weil Jahns sich „raustricksen“ wolle.

 

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.