UN-Initiative PRME: Intransparenz und Regelbruch

Von am 15. Februar 2021
PRME Shutterstock Matteo Benegiamo

Die UN-Initiative PRME setzt sich für eine verantwortungsvolle Managementausbildung an Business Schools ein. Doch die Organisation selbst agiert intransparent und verstößt gegen ihre eigenen Regeln.

Eigentlich ist das Ganze eine gute Sache. Im Jahr 1999 rief der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan mit United Nations Global Compact einen weltweiten Pakt zwischen Unternehmen und der UNO ins Leben, um die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten. 2007 entstand daraus die Initiative „Principles for Responsible Management Education“ (UN PRME), bei der sich Hochschulen dazu verpflichten, analog zur Global Compact Vision das Ziel einer verantwortungsvollen Managementausbildung zu verfolgen, die Themen Nachhaltigkeit, Ethik und Verantwortung in der Ausbildung zu verankern und dabei sechs Prinzipen einzuhalten. „The Principles for Responsible Management Education have the capacity to take the case for universal values and business into classrooms on every continent“, erklärte damals UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.

Mit über 800 Unterzeichnern weltweit ist PRME die größte organisierte Verbindung zwischen den Vereinten Nationen und Bildungsinstitutionen im Bereich Management. In Deutschland gehören 38 Institutionen zu den Unterzeichnern, darunter die ESMT, die Frankfurt School, die HHL Leipzig Graduate School of Management, die TUM School of Management und die WHU Otto Beisheim School of Management sowie die Hochschule Pforzheim, die Leuphana Universität und die Universität Mannheim.

Head of PRME ist Mette Morsing, laut ihrem Linkedin-Profil bis Mai 2020 Professorin und Board Member der Copenhagen Business School. Das PRME Sekretariat hat seinen Sitz in New York. Vorsitzender des PRME-Boards ist derzeit Ilian Mihov, Dean der INSEAD Business School.

Umstrittenes Mitglied BSBI

Am 11. Juni 2020 meldete die Berlin School of Business and Innovation (BSBI), dass sie „ab sofort offizielles Mitglied der Initiative „UnitedNations – Principles for Responsible Management Education“ (UN-PRME)“ sei.

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Die BSBI gehört zu dem weltweit tätigen profitorientierten Bildungsanbieter Global University Systems (GUS). Dessen Geschäftsmodell besteht vor allem daraus, Studenten aus Schwellen- und Entwicklungsländern an GUS-Schulen, in diesem Fall nach Deutschland, zu locken. Dafür beschäftigt GUS weltweit angeblich mehr als tausend Agenten. Versprochen werden neben dem Studium Hilfen bei Visabeschaffung, Unterkunft und Jobsuche. Geworben wird mit dem attraktiven Wirtschaftsstandort Deutschland, „Europas Start-up-Hub“ Berlin und attraktiven Jobmöglichkeiten.

Doch die BSBI ist keine anerkannte deutsche Hochschule. Sie darf daher auch keine eigenen akademischen Abschlüsse vergeben. Ihre Abschlüsse vergibt daher vor allem die private italienische Fernuni Universitá Telematica Internazionale (UNINETTUNO).

2019 fiel die BSBI mit ihren unseriösen und ethisch mehr als fragwürdigen Praktiken auf. Die Liste der von den Studenten damals beklagten massiven Mängel ist lang: unqualifizierte Tutoren, nicht eingehaltene und verkürzte Unterrichtszeiten und mangelhaftes oder fehlendes Lernmaterial, verwirrende und widersprüchliche Informationen. Nachzulesen hier bei MBA Journal. Auch das MBA-Portal Poets & Quants recherchierte dazu und titelte: „Is This Berlin B-School A Scam? Some MBA Students Say Yes.“

Und weiter: „In exclusive interviews with Poets & Quants, students at BSBI say they have been consistently disappointed in the quality of both the instruction (“no better than what you can find online”) and career services (“practically nonexistent”) at the Berlin school, as well as its facilities, which at one point amounted to a shared floor in a single building and rooms without tables or chairs. They say attending BSBI has been a waste of time — “basically,” one student says, “the same as flushing your money down the toilet.”… „None of what was promised has panned out, the students say. There were lots of red flags from the start: Study materials were substandard, faculty were disinterested, attendance rules were relaxed or simply ignored… “

Etliche Studenten waren regelrecht traumatisiert, als sie merkten, dass ihr Studium an der BSBI bei weitem nicht das erfüllte, was ihnen versprochen worden war. “I think many of the students are trying to make that transition to hopefully finding a full-time job, and then maybe possibly doing a master’s further down the line. To be honest, we’re all pretty traumatized about this experience, and it’s just pretty awful.” Studenten, die sich kritisch äußerten, wurden nach eigenen Angaben unter Druck gesetzt und hatten Angst, ihren Studienplatz und damit auch ihr Studentenvisum zu verlieren.

Das war 2019, ob sich viel gebessert hat, ist fraglich. Bis heute hat die BSBI laut Website außer einem Chief Academic Officer keine Professoren, sondern nur „Lecturer“. Associate Dean ist Alexander Zeitelhack, ehemaliger Geschäftsführer von Radio Charivari in Nürnberg.

Wie ist es möglich, dass eine zumindest in der Vergangenheit äußerst umstrittene Business School PRME-Mitglied werden kann und damit quasi als Garant für ethisches und verantwortungsvolles Management steht?

Fehlende Voraussetzung für Mitgliedschaft

Doch es wird noch seltsamer. Um PRME-Mitglied (Signatory – Unterzeichner) zu werden, müssen akademische Institutionen staatlich anerkannt sein. „Wenn Ihre Organisation keine staatlich anerkannte und Abschlüsse verleihende Institution ist, wird ihre Bewerbung nicht zugelassen“, heißt es klar in den Regeln. Das PRME Sekretariat überprüfe jede Bewerbung.

Doch warum konnte die BSBI dann überhaupt Mitglied werden? Anfrage an den Vorsitzenden des PRME-Boards und INSEAD-Dean Ilian Mihow am 22. Dezember 2020. Der antwortet am 28. Dezember, er habe die Frage an den CEO von PRME weitergeleitet. Das ist Mette Morsing. Sie schreibt, dass man der Sache nachgehen wolle und sich melden werde. Es passierte nichts. Am 31. Januar 2021 daher eine erneute Nachfrage. Am 1. Februar antwortet Sophie Kacki, Coordinator PRME bei United Nations Global Compact in New York: „BSBI was founded in summer 2018 and it is our understanding that they are adhering to German law which permits three years to apply and become publicly-recognized from the German Wissenschaftsrat.“

Sie gibt also zu, dass die BSBI als PRME-Mitglied aufgenommen wurde, obwohl sie die Voraussetzung der staatlichen Anerkennung nicht erfüllte.

Man sei der Meinung, dass sich die BSBI an das Gesetz halte und sich innerhalb von drei Jahren bewerben könne, um vom Deutschen Wissenschaftsrat staatlich anerkannt werden zu können. Das ist Unsinn. Der Wissenschaftsrat erkennt keine Hochschulen an. Das macht das Ministerium des jeweiligen Bundeslandes – in diesem Fall wäre das der Senat Berlin.

Weiß man bei PRME wirklich nicht, wie die staatliche Anerkennung in Deutschland geregelt ist, obwohl mehr als 30 deutsche Hochschulen und Universitäten dort vertreten sind? Und laut PRME-Website ist die BSBI sogar bereits seit Januar 2020 Mitglied (Member):

Die undurchsichtige Rolle von Professor Barriga

In der Pressemeldung der BSBI zur PRME-Mitgliedschaft heißt es: „Professor Barriga represented BSBI at the German chapter of UN-PRME in February.“

PRME-Mitarbeiterin Kacki schreibt: „Thank you for making us aware that BSBI refers to a „PRME Chapter Germany“ in a 2020 press release. We have asked BSBI to correct this, as there is no PRME Chapter Germany but rather only a PRME Chapter DACH (Deutschland, Austria and Switzerland). We also confirmed with the Chair of the DACH Chapter that Professor Barriga from BSBI did not attend any of the three Regional Chapter meetings in 2020 (one in Berlin and two online meetings), so we have also asked for clarification on this matter, and a retraction/correction where needed.“

Sie schreibt also, es gebe kein deutsches Chapter, sondern nur ein deutschsprachiges Chapter (DACH) und Professor Barriga von der BSBI habe an keinem der drei regionalen Treffen 2020 teilgenommen.

Inzwischen wurde der Text vom 12. Februar 2020 nachträglich geändert. Nun heißt es, Barriga habe die BSBI „bei der PRME Chapter DACH“ vertreten.

Doch laut PRME-Mitarbeiterin Kacki hat Barriga für die BSBI auch nicht an einem der drei Treffen des PRME Chapter DACH 2020 teilgenommen. Nachfrage bei der PR-Agentur der BSBI. Die antwortet am 5. Februar: „Prof. Barrigas voller Name ist Prof. Jose Manuel Alcaraz Barriga. Er hat am Treffen der PRME im Februar teilgenommen.“ Wer sagt nun die Wahrheit? Denn einer von beiden muss lügen.

Auf der Website der BSBI lässt sich Barriga, der in der Pressemeldung als Leiter des MBA-Programms bezeichnet wird, nicht finden. Die BSBI schreibt: „Prof. Jose Manuel Alcaraz Barriga war bereits für verschiedene Lehranstalten im In- und Ausland tätig. Im Dezember 2020 hat er sich aus familiären Gründen dazu entschlossen, die Lehrstelle an der BSBI vorläufig abzugeben, daher ist er aktuell nicht auf der Webseite der BSBI gelistet.“

Tatsächlich war und ist Barriga, der unter unterschiedlichen Namen auftritt, für diverse Business Schools tätig, unter anderem als Professor für Business and Society bei dem PRME-Mitglied Munich Business School, deren Rektor Stefan Baldi auch nicht gerade durch sein verantwortungsvolles Management auffällt und wo Barriga fälschlicherweise sogar als ehemaliger MBA-Direktor an der renommierten IESE Business School in Barcelona bezeichnet wird.

Dort heißt es. „In seiner Funktion als Wissenschaftler forscht Prof. Dr. Alcaraz in der von den United Nations unterstützten internationalen PRME-Initiative (Principles for Responsible Management Education).“ Barriga ist also bei PRME kein Unbekannter. Er war sogar bei einer PRME-Arbeitsgruppe tätig.

Offene Fragen und Schweigen

Es bleiben also viele Fragen: Warum hat sich PRME nicht an die eigenen Regeln gehalten? Warum konnte die BSBI überhaupt PRME-Mitglied werden, ohne die dafür notwendige Voraussetzung zu erfüllen? War das Ganze ein Versehen? Oder ein vorsätzlicher Regelbruch? Warum bleibt die BSBI auch weiter Mitglied (Unterzeichner), obwohl sie die Voraussetzung nicht erfüllt?

Welche Rolle spielt der bei PRME bestens bekannte Professor Barriga? War er nun auf dem Meeting im Februar oder nicht? Fungiert er als eine Art Vermittler oder Berater, der im Auftrag von Business Schools dafür sorgt, dass auch fragwürdige Schulen PRME-Mitglied werden und sie bei den Treffen dann vertritt? Schließlich ist die Mitgliedschaft gerade für die BSBI, die ihre Studenten vor allem aus Ländern wie Indien anwirbt, ein wertvolles „Marketingargument“ und schafft Vertrauen bei Studieninteressenten.

Doch die Fragen bleiben unbeantwortet. Auch auf zweimalige Nachfrage schweigen PRME-CEO Mette Morsing, PRME-Koordinatorin Sophie Kacki und PRME-Vorstand und INSEAD-Dean Ilian Mihov.

Update 16. Februar 2021: Weitere Irreführungen

Bereits kurz nachdem der Artikel erschienen war, meldete sich Manuel Barriga. Er habe Lisa Fröhlich, die Präsidentin der Cologne Business School (CBS) und Chair des PRME Chapter DACH gebeten, mir zu bestätigen, dass er an dem Treffen im Februar 2020 teilgenommen hat. Und er hängte eine Antwort-Email von Professorin Fröhlich vom 1. Februar 2020 an ihn an, in der diese schreibt „See you then Tuesday!“ und die zumindest den Eindruck erweckt, dass man sich kenne. Die Mail an Barriga wurde nicht an einen Mail-Account der BSBI verschickt, allerdings an eine Mailadresse, in der der Name Jose Manuel Alcaraz steht. Betreff: PRME DACH Chapter Meeting 4.2.2020, 10:00 – 16:30, Campus Wilhelminenhof HTW Berlin, Gebäude H, Raum 001. Doch CBS-Präsidentin Fröhlich meldete sich nicht.

Dafür spät am Abend Sophie Kacki: „Prof. Alcaraz Barriga did in fact attend the PRME Chapter DACH meeting in February 2020, there was simply a misprint in the Chapter title, which has since been corrected.“

Er habe also doch an dem Treffen des PRME Chapter DACH teilgenommen, das sei nur ein Druckfehler im Chapter-Titel gewesen. Das ist nun wirklich abenteuerlich. Denn Kacki hatte geschrieben: „We also confirmed with the Chair of the DACH Chapter that Professor Barriga from BSBI did not attend any of the three Regional Chapter meetings in 2020 (one in Berlin and two online meetings), so we have also asked for clarification on this matter, and a retraction/correction where needed.“

Nachfrage bei CBS-Präsidentin Professorin Fröhlich. Und da wird es noch abenteuerlicher. Sie antwortet: „Prof. Barriga hat als Gast für zwei Stunden an unserem ersten Meeting in Berlin teilgenommen. Ich konnte den Namen im ersten Schritt nicht zuordnen, da die mir vorliegende eMail die Zuordnung nicht zuließ. Da die BSBI wie auch Prof. Barriga kein aktives Mitglied im DACH Chapter sind, damit nicht in die aktive Arbeit involviert sind und auch nicht auf unserer Mailingliste zu finden sind, ist die erste Aussage von Sophie absolut richtig..…. Denn genau das habe ich ihr geschrieben, dass wir einen Gast hatten, ich aber nicht erkennen kann, ob es Prof Barriga war. Im weiteren Verlauf unserer Recherche konnten wir dann den Namen zuordnen. Ich habe dann im Gespräch mit meinem Kollegen der BSBI um eine Richtigstellung auf der Homepage gebeten, was mittlerweile auch geschehen ist.“

CBS-Präsidentin Fröhlich tauscht sich also vor dem Treffen mit Barriga per Mail aus („See you then on Tuesday“), weiß aber nicht, dass der eine Gast Barriga war. Der wiederum war nur zwei Stunden da und trat offenbar nicht als MBA-Direktor der BSBI, sondern als unbekannter Gast auf. Und das obwohl die BSBI gerade PRME-Mitglied geworden war.

Und in der Pressemeldung und auf der Website klang das etwas anders:

Da stellt sich die Frage, ob Barriga überhaupt jemals MBA-Direktor an der BSBI war. Nachfrage bei der PR-Agentur der BSBI. Gibt es einen Beleg dafür? Bisher keine Antwort, aber dafür ist Barriga plötzlich ganz von der Website verschwunden.

 

Auch seine Rolle bei PRME ist weiter nicht ganz klar. So schreibt Kacki: „Prof. Barriga has been a longtime supporter o PRME and its mission, carrying the initiative to different schools and supporting its programmatic work.“ Er ist also ein langjähriger Unterstützer von PRME und bringt die PRME-Initiative an verschiedene Schulen.

PRME bestätigt Regelbruch

Zudem bestätigt PRME-Koordinatorin Kacki erneut, dass Zugangsvoraussetzungen nicht für die BSBI gelten: „BSBI is in fact a member of PRME. They joined in early 2020. You can find them listed on our website. BSBI meets all of the basic requirements to be a part of PRME.“ Dabei heißt es auf der Website eindeutig, wer Unterzeichner (Mitglied) werden kann: „Academic institutions that are publicly recognised (i.e. legal/government recognition) and are degree-granting, as well as Corporate Universities whose parent organisations are Participants of the UN Global Compact, are eligible to become signatories to PRME.“

Die BSBI ist keine staatliche anerkannte Institution und darf keine akademischen Abschlüsse vergeben und sie ist auch keine Corporate University.

Fazit:

Die wiederholten Irreführungen und Vertuschungsversuche untergraben die Glaubwürdigkeit von PRME. Die Zugangsvoraussetzungen sind offenkundig nur Schall und Rauch. Auch nicht anerkannte Hochschulen wie die BSBI können sich mit der PRME-Mitgliedschaft schmücken und so letztlich potenzielle Studenten in die Irre führen. Denn wer kommt schon darauf, dass sich eine UN-Initiative, die sich für ethisches und verantwortungsvolles Management stark macht, nicht an die von ihr selbst gesetzten Regeln hält?

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.