FH Burgenland: Mogel-MBA in Psychologie
Die FH Burgenland brilliert mit fragwürdigen MBA-Programmen, darunter ist auch ein „MBA in angewandter Psychologie für die Wirtschaft“ mit so gut wie keinen MBA-Inhalten.
Wenn es um seltsame MBA-Angebote geht, gehört das AIM – Austrian Institute of Management, die Weiterbildungseinrichtung der Fachhochschule Burgenland, durchaus zur österreichischen Spitzengruppe. Denn dort gibt es MBAs mit allen möglichen Spezialisierungen, die nicht unbedingt viel mit einem MBA zu tun haben, wie einen „MBA in Training & Coaching“, einen „MBA in Mediation“ oder einen „MBA Digitales Bildungsmanagement“. Auch ein „MBA Angewandte Psychologie für die Wirtschaft“ gehört dazu.
Angeboten wird der Studiengang in Kooperation mit der Wiener E-Learning-Group GmbH, die das Studium auch vermarktet. Die Studiengebühren liegen bei 8.900 Euro, bis 15. Januar gab es ein Neujahrs-Schnäppchen für 7.900.
Ein Blick ins Curriculum zeigt, dass es dort mit den üblichen MBA-Inhalten nicht weit her ist. So umfassen die acht Module des 14monatigen Fernstudiums die Themen: Basis Wirtschaftspsychologie, Wissenschaftliches Arbeiten, Markt- Werbe- und Medienpsychologie, Führung und Leadership, Personalpsychologie, Organisationsentwicklung und Psychologie, Finanzpsychologie sowie Management und Ethik.
Schaut man sich die Inhalte der Module an, wird es noch abenteuerlicher. Bei Führung und Leadership geht es dann nicht etwa um grundlegende Führungstheorien, sondern zum Beispiel um Neuroleadership, digital Leadership und positive Leadership, Kommunikationspsychologie, Rhetorik und psychologische Handlungskompetenzen sowie „Profiling für Führungskräfte“ – was man halt so an Schlagworten zusammenschreibt.
Angeboten wird also ein MBA-Studium quasi ohne oder allenfalls mit minimalen MBA-Inhalten. Dabei ist ein MBA eine betriebswirtschaftliche Ausbildung in General Management und umfasst daher Fächer wie Ökonomie, Finanz- und Rechnungswesen, Produktionsmanagement, Vertrieb und Personalmanagement – die Fächer, die man braucht, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen.
Doch nicht nur die betriebswirtschaftlichen Inhalte sind fast schon verschwindend gering, auch die psychologischen Inhalte sind ziemlich dürftig. Allgemeine Psychologie, Sozialpsychologie, Persönlichkeitspsychologie oder Methodenlehre und Statistik – Fehlanzeige. Und die Eignungsdiagnostik – eines der wichtigsten und auch anspruchsvollsten Fächer im wirtschaftlichen Kontext – wird mehr oder weniger nebenbei zusammen mit Recruiting abgehandelt.
Das Masterstudium dauert drei Semester. Der Unterricht findet ohne Präsenz statt und legt Wert „auf höchstmögliche Flexibilität, Mobilität und Qualität“. Auch Prüfungen können jederzeit online abgelegt werden. Zum Studium gehört auch die Abfassung einer praxisorientierten Masterarbeit, für die es dann zwölf der insgesamt 60 ECTS gibt.
Lehrgang zur Weiterbildung
Zwar heißt es auf der Website: „Den erfolgreichen Absolvent*innen des Masterlehrgangs MBA Angewandte Psychologie für die Wirtschaft wird von der FH Burgenland der akademische Grad „Master of Business Administration“ (abgekürzt „MBA“) verliehen.“ Aber der MBA ist kein „richtiger MBA“.
Denn es handelt sich um einen Lehrgang zur Weiterbildung gemäß § 9 Fachhochschulgesetz. Diese Master-Grade in der Weiterbildung sind nicht identisch mit den Master-Graden aufgrund des Abschlusses ordentlicher Studien (Master-Studien), auch wenn sie zum Teil denselben Wortlaut haben und von anerkannten Hochschulen vergeben werden. Eine österreichische Besonderheit, die häufig für Verwirrung sorgt.
In § 9 des aktuellen Fachhochschulgesetzes heißt es dazu: „Im Studienplan eines Lehrganges zur Weiterbildung dürfen im jeweiligen Fach international gebräuchliche Mastergrade festgelegt werden, die den Absolventinnen und Absolventen jener Lehrgänge zur Weiterbildung zu verleihen sind, deren Zugangsbedingungen, Umfang und Anforderungen mit Zugangsbedingungen, Umfang und Anforderungen entsprechender ausländischer Masterstudien vergleichbar sind.“ Die Qualität der Lehre sollte „durch ein wissenschaftlich und didaktisch entsprechend qualifiziertes Lehrpersonal“ sichergestellt werden
Dass dazu auch ein MBA fast ohne MBA-Inhalte gehört, ist aber kein Problem. Denn die Lehrgänge unterliegen in Österreich nicht der Akkreditierung. Stattdessen sollen sich die Hochschulen selbst kontrollieren. „Diese Lehrgänge zur Weiterbildung sind in einer angemessenen Form in die hochschulinterne Qualitätssicherung und -entwicklung einzubinden“, heißt es im Gesetz. Und das tut die FH Burgenland natürlich.
Ohne Abitur und Erststudium
Dabei ist man gerade bei den Zulassungsvoraussetzungen sehr großzügig. Generell gilt weltweit, dass ein MBA als Postgraduate-Studium einen ersten Studienabschluss voraussetzt. Zwar gibt es da auch in Deutschland immer wieder Ausnahmen, bei denen zum Beispiel berufliche Qualifikationen angerechnet werden. Dabei sind jedoch meist – oftmals anspruchsvolle – Zusatzprüfungen notwendig.
Am AIM braucht man dagegen nicht einmal Abitur (Matura) und auch keine abgeschlossene Berufsausbildung. Es genügt eine fünfjährige Berufspraxis und ein Mindestalter von 21 Jahren sowie die Absolvierung einer standardisierten schriftlichen Aufnahmeprüfung. Und die hat es wirklich in sich:
„Die Prüfung besteht aus einer Deutschprüfung (lesen, verstehen und zusammenfassen eines Fachartikels) sowie einer wirtschaftswissenschaftlichen Fachprüfung. Hierzu werden die Grundlagen aus ABWL sowie einem Fachgebiet des Lehrgangs geprüft. Zur Vorbereitung auf die ABWL Prüfung dient Teil 1 aus „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ von Jean-Paul Thommen und Ann-Kristin Achleitner, Verlag Gabler, Wiesbaden, sowie das zugehörige Arbeitsbuch mit Repetitionsfragen, Aufgaben und Lösungen. Die Klausurfragen orientieren sich an diesen Aufgaben. Zur Vorbereitung auf das lehrgangsspezifische Fachgebiet dient i.A. ein weiterer Teil aus „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ von Jean-Paul Thommen und Ann-Kristin Achleitner, Verlag Gabler, Wiesbaden, sowie das zugehörige Arbeitsbuch mit Repetitionsfragen, Aufgaben und Lösungen. Die Klausurfragen orientieren sich an diesen Aufgaben. Für die englischen Lehrgänge dient Daft R.L. „New Era of Management“ South Western Cengage Learning, 2010 zur Vorbereitung“, heißt es auf der Website.
Das Lesen und Zusammenfassen eines deutschen Fachartikels und Prüfungsfragen aus einem BWL-Lehrbuch ersetzen also Abitur und Erststudium. Und mit nur 60 ECTS Leistungspunkten bekommt man einen akademischen Master-Abschluss. Bei „echten“ Masterabschlüssen braucht man 300 ECTS.
Zum Vergleich: Wer an derselben Fachhochschule Burgenland den berufsbegleitenden Masterstudiengang „Human Resource Management und Arbeitsrecht“ absolvieren will, braucht ein abgeschlossenes mindestens dreijähriges Studium an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung mit mindestens 180 ECTS Punkten sowie einen Nachweis über den Mindestumfang von 20 ECTS im Bereich Wirtschaftswissenschaften und/oder Rechtswissenschaften. Dafür bekommt er dann auch einen „richtigen“ Master-Abschluss.
Bei dem Verwirrspiel mit den Master-Abschlüssen kommt es dann manchmal zur echten Real-Satire. So warb das Weiterbildungsinstitut Austrian School of Applied Studies (ASAS) aus Oberösterreich damit, dass ihre MBA-Absolventen (deren MBA-Abschluss ebenfalls von der FH Burgenland verliehen wird) einen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft bei der deutschen Allensbach Hochschule in Konstanz erwerben und sich dabei ECTS-Punkte aus dem MBA-Studium anrechnen lassen können. Das ist in etwa so, als würde man sich einen Bachelor-Abschluss aufs Abitur anrechnen lassen. Dabei gibt es auch über die Allensbach Hochschule interessante Dinge zu lesen und im Januar 2020 verweigerte der Wissenschaftsrat der Fernhochschule die institutionelle Akkreditierung.
Aber im titelsüchtigen Österreich ist ein „Schmalspur-MBA“ mit teils minimalen MBA-Inhalten und minimalen Zulassungsvoraussetzungen wie beim AIM bzw. der Fachhochschule Burgenland natürlich nur konsequent. Und schließlich ist die Verwechslung mit einem „echten MBA“ vom Gesetzgeber offenbar sogar erwünscht. Auch bei so manchem Personalchef, dem die Unterschiede nicht geläufig sind, dürften die Absolventen mit ihrem MBA-Titel durchaus punkten können.
Aktueller Plagiatsfall
Einen erschütternden Einblick in die Qualität österreichischer FH-Abschlüsse zeigt der aktuelle Plagiatsfall der inzwischen zurückgetretenen Familien- und Arbeitsministerin Christine Aschbacher. Dabei ging es nicht nur um ihre Dissertation an der Technischen Universität Bratislava in der Slowakei (bei der bei Insidern sofort alle Alarmglocken läuten), sondern auch um ihre Diplomarbeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt.
„Plagiate, falsche Zitate, mangelnde Deutschkenntnisse: Diplomarbeit der österreichischen Ministerin Christine Aschbacher unterbietet alle wissenschaftlichen Standards“, titelte dabei der als „Plagiatsjäger“ bekannte Sachverständige Stefan Weber. „Um es kurz zu machen: Die Arbeit ist eine einzige wissenschaftliche Katastrophe und daher besser dem Bereich der Nicht-Wissenschaft zuzuordnen.“
Mit der Diplomarbeit erwarb die Ex-Ministerin 2006 ihren Magistertitel. Laut der Tageszeitung Standard wurde die Arbeit mit dem Titel „Kompetenzen im Vertrieb – Anforderungen im Key Account Management“ im Studiengang „Wirtschaftsberatende Berufe“ eingereicht und mit „sehr gut“ bewertet. Betreuer war damals der FH-Professor mit Schwerpunkt Marketing und Vertrieb und Unternehmensberater Karl Pinczolits, der bis 2019 Fachbereichsleiter an der FH Wiener Neustadt war.