Prozess gegen Ex-EBS-Präsident: Showdown vor Gericht
Bei dem Untreue-Prozess gegen den ehemaligen EBS-Präsidenten Christopher Jahns ging es am vergangenen Mittwoch heftig zur Sache. Grund war ein Gespräch zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Jahns Verteidiger Alfred Dierlamm außerhalb der Hauptverhandlung, in dem die Staatsanwaltschaft angeboten hat, bei einem Geständnis noch eine Bewährungsstrafe zu akzeptieren. Dierlamm sah darin offenbar eine Drohung und stritt um die Protokollierung.
Am 16. Oktober hatte Richter Jürgen Bonk den Wunsch nach einem offenen Gespräch geäußert. Darin sollte es vor allem um das weitere Vorgehen in dem Verfahren gehen. Das Gespräch fand dann – wohl vor allem auf Drängen des Gerichts – außerhalb der Hauptverhandlung am 31.Oktober statt. Dabei hat die Staatsanwaltschaft auch erklärt, dass sie noch eine Bewährungsstrafe für Jahns akzeptieren würde, wenn dieser Einsicht zeige – also ein Geständnis ablege.
Der ehemalige Präsident der EBS Universität für Wirtschaft und Recht ist angeklagt, weil er vier Rechnungen im Gesamtwert von 180.000 Euro von der Hochschule an die Beratungsfirma Brainnet bezahlt haben soll, ohne das dafür auch nachweisbare Leistungen erbracht wurden. Jahns war damals an Brainnet beteiligt.
Am 16.Oktober legte das Gericht zudem Emails und Rechnungen vor, die den Verdacht nahelegen, dass die vier Rechnungen nur Teil eines Systems sind, bei dem Jahns Gelder – deklariert als Investitionskosten – aus der EBS über Brainnet an seine Privatfirmen weiter geleitet hat. Das Gericht erweiterte daher die Anklage und erklärte dem Angeklagten, dass neben dem ursprünglichen Untreue-Vorwurf auch eine Verurteilung wegen Untreue aufgrund der angeblichen Investitionskosten der Jahre 2004 bis 2007 möglich sei.
Jahns Strafverteidiger Dierlamm hält diese „Rückführungstheorie“ für unbewiesen und beklagte, diese würde Jahns zusätzlich belasten. Schließlich sei er inzwischen als Berater bei einem Bildungsunternehmen tätig und könnte dort Geschäftsführer werden, wenn das Verfahren beendet ist und seine Unschuld bewiesen ist.
Nach dem Gespräch zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Strafverteidiger nutzte Dierlamm die Hauptverhandlung am Mittwoch, um in einer mehrseitigen Erklärung das Gespräch als „möglicherweise rechtswidrig“ und als Drohung zu bezeichnen und über eine heimliche Absprache zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft zu mutmaßen. Schließlich bedeute der Vorschlag der Staatsanwaltschaft, dass diese eine Gefängnisstraße in Betracht ziehe, wenn Jahns kein Geständnis ablege. Dierlamm setzt dagegen weiterhin – wie auch Jahns selbst – auf die Unschuld seines Mandanten und einen Freispruch.
Die Vorwürfe brachten den anwesenden Staatsanwalt Wolf Jördens, der bei dem Hintergrundgespräch nicht dabei war, auf die Palme. Dass ein Entgegenkommen der Staatsanwaltschaft als Drohung bezeichnet werde, habe er noch nie erlebt. Jahns habe nach Auffassung der Staatsanwaltschaft alle Straftaten begangen. Bei der Vielzahl der Fälle gewerblicher Untreue könne die Strafe eigentlich nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden und das Strafmaß könne locker bei mehr als zwei Jahren liegen. Laut Gesetz liegt die Mindeststrafe bei gewerblicher Untreue bei sechs Monaten Freiheitsentzug.
Heftig gestritten wurde auch über Protokollierung des Gesprächs und der Aussagen von Jördens. Das ging offenbar so weit, dass Dierlamm – zum Befremden des Richters – versucht haben soll, der Gerichtsangestellten selbst zu diktieren, was ins Protokoll komme. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung müssten umfassend dokumentiert werden, behauptete Dierlamm, damit auch das Revisionsgericht das Verfahren lückenlos nachvollziehen könne. Er kenne die Vorschriften, entgegnete Richter Bonk daraufhin. Doch das gelte nur für „Verständigungsgespräche“, nicht jedoch für ein Gespräch, das zu keiner Verständigung führte und diese auch nicht zum Ziel hatte.
Auf den ersten Blick ist Dierlamms Verteidigungsstrategie nicht so ganz nachvollziehbar. Möglicherweise hat er aber längst erkannt, dass es nicht gut aussieht für seinen Mandanten und will nun mit viel Tamtam die große Verschwörung von Gericht und Staatsanwaltschaft inszenieren. Bisher basierte seine Strategie vor allem auf einer angeblichen Intrige gegen Jahns durch zwei ehemalige EBS-Mitarbeiter und dem Vorwurf der einseitigen Ermittlungen der Strafverfolger. So hat Jahns auch das Land Hessen verklagt, weil er sich durch Äußerungen der Staatsanwaltschaft gegenüber der Presse für vorverurteilt sieht.
Dass er nach wie vor an der Strategie festhält, zeigt die Berichterstattung der FAZ und des Wiesbadeners Kuriers, deren Redakteure – wie bei den Verhandlungen zu beobachten – in engem Austausch mit Dierlamm und Jahns Kommunikationsberater Dirk Metz stehen. Diesen gelingt es offenbar immer wieder, beide „auf Linie zu bringen“.
So schreibt Christoph Cuntz im Wiesbadener Kurier: „Zu Beginn der Ermittlungen hatte Jahns` Anwalt Dierlamm die „einseitig-belastenden“ Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kritisiert. Mit der Dauer des Prozesses scheint sein Vertrauen in die Objektivität des Gerichts zu schwinden.“ Zudem behauptet er, die beiden Hauptzeugen seien nicht überzeugend gewesen und allein mit ihren Aussagen ließe sich eine Verurteilung von Jahns nicht begründen – was auch noch niemand behauptet hat. FAZ-Redakteur Ewald Hetrodt lässt sich in seinem Kommentar nicht nur zu dem mutigen Satz „Kann es für einen Angeklagten noch besser laufen?“ hinreißen, er behauptet sogar, die beiden Hauptbelastungszeugen seien keine Belastung mehr für den Angeklagten, sondern „eine ernsthafte Belastung“ für die Staatsanwaltschaft. Schließlich hätten sie den Eindruck hinterlassen, „keinen Durchblick zu haben“.
Da fragt man sich schon, wem der Durchblick fehlt. Schließlich basiert die Anklage nicht nur auf den Aussagen der Zeugen, sondern auch auf einer Fülle von Unterlagen und belastenden Emails von Jahns und Brainnet-Mitarbeitern, in denen es unter anderem darum geht, wie man die angeblichen Leistungen für die EBS tituliert (“unbedingt Leistungsbeschreibung anpassen; nicht wie im Vorjahr!”, “Die Positionen müssen ebenso als Beratungsleistungen Ausland, Angebotserstellung etc. deklariert werden.”).
Nach einem baldigen Ende des Prozesses sieht es daher derzeit nicht aus und das Verfahren wird wohl auch im neuen Jahr fortgesetzt. Schließlich geht es auch noch um die 52 Fälle, in denen Jahns seinen – von der EBS bezahlten – Fahrer für private Zwecke benutzt haben soll. So musste der Fahrer – laut Staatsanwaltschaft – öfter das Privatauto seiner Ex-Frau und seiner damaligen Lebensgefährtin und heutigen Ehefrau Nicole Gaiziunas waschen und tanken, mehrmals seine Schmutzwäsche zur Reinigung bringen und die Putzfrau beaufsichtigen.
Egal, wie das Urteil letztlich ausfällt, das Bildungsunternehmen, für das Jahns bereits tätig sein will, wird wohl noch länger auf seinen neuen Geschäftsführer warten müssen.