IE-Dean Martin Boehm wird Rektor der EBS
Martin Boehm, Dean der spanischen IE Business School, wird neuer Rektor der EBS und übernimmt damit einen herausfordernden Job.
Mit Martin Boehm, seit 2017 Dean der IE Business School in Madrid, bekommt die EBS Universität für Wirtschaft und Recht ab September einen neuen Rektor.
Zudem hat die Privatuni mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und EU-Kommissar Günther H. Oettinger endlich auch einen neuen Präsidenten gefunden. Bereits Anfang 2020 wurde bekannt, dass der bisherige Präsident Markus Ogorek ab Herbst 2020 die Leitung des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln übernimmt.
Boehm ist seit 2006 bei der IE Business School. Die spanische Schule gilt als eine der führenden und innovativsten europäischen Business Schools und ist Teil der IE University in Segovia und Madrid. In den relevanten Rankings schneidet sie regelmäßig gut ab.
Der Marketingprofessor war von 2008 bis 2010 Dekan für die Bachelor-Studiengänge der IE University, danach bis 2012 stellvertretender Dekan für Masterstudiengänge im Management und dann als Dekan für die Studienprogramme der IE Business School zuständig. Er ist derzeit Vorsitzender des Board of Directors bei GMAC (Graduate Management Admission Council) und Mitglied im EQUIS Accreditation Board der EFMD (European Foundation for Management Development) in Brüssel – und damit bestens vernetzt in der Welt der führenden Business Schools.
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Boehm hat nach dem Bachelor of Arts in International Business (Hochschule Reutlingen) einen MBA an der Australian Graduate School of Entrepreneurship in Melbourne absolviert und in Marketing an der Goethe Universität in Frankfurt promoviert.
Zahlreiche Herausforderungen
An der EBS warten auf Martin Boehm zahlreiche Baustellen und Herausforderungen. Denn seitdem 2011 die Vorwürfe und später die Anklage wegen des Verdachts gewerbsmäßiger Untreue gegen den damaligen CEO und Präsidenten der EBS Christopher Jahns die Privatuniversität in eine schwere Krise gestürzt hatten, lässt ein echter Neuanfang auf sich warten.
Jahns wurde vorgeworfen, dass er 180.000 Euro veruntreut hat. Das Geld wurde von der EBS Universität an die Beratungsfirma BrainNet überwiesen, an der er damals beteiligt war, ohne dass es – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – dafür entsprechende Leistungen gab. Die Gelder sollen dann von BrainNet an seine eigene Firmen in der Schweiz weitergeleitet worden sein. Er hat seine Schuld stets bestritten.
Erst im Mai 2020 wurde der bereits 2013 begonnene Strafprozess gegen Jahns gegen eine Zahlung von 30.000 Euro eingestellt. Grund war letztlich auch die jahrelange und erneute Verhandlungsunfähigkeit von Jahns aufgrund psychischer und gesundheitlicher Probleme. Mit der Einstellung des Verfahrens war keine Schuldfeststellung des Angeklagten verbunden. Damit wurde der teils spektakuläre Strafprozess und die jahrelange Hängepartie beendet, ohne dass die Schuldfrage mit einem Urteil geklärt wurde. Dabei verwies Jahns stets auch auf die Unterstützung durch die EBS und schreibt noch heute auf seiner Website: „Die EBS hat die damals gegen mich gerichteten Vorwürfe zu Lasten der EBS selber immer negiert und auch offziell mitgeteilt, nie einen Schaden erlitten zu haben.“
Unter Jahns bekam die Business School eine neue juristische Fakultät und wurde damit zur Universität. Für den Aufbau der neuen Law School erhielt die EBS damals 24,7 Millionen Euro Unterstützung vom Land Hessen. Vor kurzem kam die umstrittene Förderung mit Steuergeldern erneut zur Sprache. „Erhielt die EBS von Stadt und Land 60 Millionen Euro? Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kritisiert die Förderung der European Business School“ titelte der Wiesbadener Kurier am 10. Mai 2021. Dabei ging es auch um die „beachtlichen Fehlleistungen“ der EBS, die der Hessische Rechnungshof schon im Dezember 2012 in einem Gutachten festgestellt hatte.
2011 habe die EBS zwar 950.000 Euro wegen Zweckentfremdung von Steuermitteln zurückzahlen müssen. „Doch insgesamt dürfte sich das finanzielle Engagement des Landes Hessen und der Stadt Wiesbaden auf über 60 Millionen Euro beziffern“, zitierte die Zeitung die GEW, die vom Finanz- und Wissenschaftsministerium fordert, die Zahlen offenzulegen, „damit die Bürger einen Eindruck davon bekommen, was mit ihren Steuermitteln geschieht“.
Anhaltende Finanzprobleme
Zudem kam der Hessische Landesrechnungshof damals zu dem Ergebnis, die EBS sei ohne nachhaltige Zuführung von Eigenkapital oder eigenkapitalersetzenden Darlehen „nicht in der Lage, eine Überschuldung zu verhindern und ihre Zahlungsfähigkeit auf Dauer zu sichern“. Im Frühjahr 2015 stand sie erneut kurz vor der Pleite. Im Dezember 2015 konnte die Hochschule erstmals seit fünf Jahren wieder ein positives Eigenkapital ausweisen. Möglich wurde dies nur durch ein Entgegenkommen der Banken, Zuwendungen der Dietmar Hopp Stiftung sowie der Übernahme von Gesellschafteranteilen des Alumni e.V.
2016 übernahm die SRH Higher Education GmbH die EBS. Bei SRH, deren Hochschulen sich eher im mittleren bis unteren Fachhochschul-Segment bewegen, war man damals davon überzeugt, dass man mit der EBS eine der führenden Business Schools übernommen hatte und attestierte ihr eine „hervorragende Prognose“. Jetzt, wo die finanzielle Unsicherheit weg sei, würden auch die Studentenzahlen wieder steigen und die EBS werde wieder ein attraktives Ziel für Spitzenforscher, erklärte SRH-Pressesprecher Nils Birschmann 2016. In fünf Jahren werde die Business School zu den Top 5 in den einschlägigen Rankings gehören.
Davon kann bis heute keine Rede sein und es gilt als offenes Geheimnis, dass damals vor allem die EBS-Alumni die Privatuni gegenüber SRH in den höchsten Tönen „angepriesen“ haben, um ihre Alma Mater zu retten. Die 1971 als Fachhochschule gegründete EBS sah sich lange Zeit vor allem als Ausbildungsstätte für die Elite und galt und gilt nach wie vor bei vielen als die Hochschule, an der vor allem die Söhne und Töchter der Reichen studieren. Ihr damaliger Präsident Jahns wähnte die EBS Business School mit der ihm – zumindest damals – eigenen Selbstüberschätzung dabei schon in der Topliga der internationalen Business Schools.
Verlustbringer für SRH
Für SRH ist die EBS noch immer ein Verlustbringer. Laut dem SRH-Geschäftsbericht 2019 hat sich das Betriebsergebnis der EBS Universität für Wirtschaft und Recht von 2018 auf 2019 von minus 4,53 Millionen Euro auf minus 4,24 Millionen Euro nur leicht verbessert. Die Umsatzrendite veränderte sich von minus 24,6 Prozent auf minus 20,7 Prozent. Damit schneidet die EBS Universität unter den sieben SRH-Hochschulen (sechs FHs und eine Uni) erneut als schlechteste akademische Institution beim Betriebsergebnis ab (Quelle: SRH Geschäftsbericht).
Sinkende Studentenzahlen
Die Zahl der Studierenden sinkt seit Jahren. Hatte die Privatuni 2016 noch 2.770 Studierende, waren es 2017 noch 2.470, 2019 nur noch 2.132 und derzeit gibt die EBS 1.956 Studierende auf ihrer Website an.
Der Rückgang fand vor allem an der EBS Business School statt, an der mehrere Bachelor- und Master-Programme sowie ein Vollzeit-MBA und ein Executive MBA zusammen mit der britischen Durham Business School angeboten werden.
Laut Website hatte die EBS Business School 2019 1.297 Studierende, aktuellere Zahlen fehlen. Im Jahr davor waren es noch 1.512. Eine Aufschlüsselung der Studentenzahlen in Bachelor-, Master- und MBA-Studenten findet man nicht. Wieviel MBA-Studenten es an der EBS gibt, verschweigt die Schule seit Jahren konsequent.
Aktuelle Zahlen zur EBS Law School, deren Aufbau mit rund 23 Millionen Euro vom Land Hessen unterstützt wurde, findet man ebenfalls nicht auf der Website. 2019 waren es gerade mal 364 Studierende. Damit ist ihre Zahl von 2014 mit 290 Studierenden bis 2019 gerade mal um 74 Studenten gestiegen.
Unklarheiten bei den EBS-Professoren
2013 hatte die Business School 31 Professoren. Daran hat sich bis 2019 nichts geändert. Davon sind laut Website 23 Seniorprofessuren, acht Junior-/Qualifikationsprofessuren, eine Management in Practice Professur und acht internationale Professuren. Neuere Angaben fehlen auch hier. Dazu kommen laut Website 13 Honorarprofessoren.
Allerdings ist fraglich, ob alle Professoren auf der Fakultäts-Liste überhaupt noch an der Business School tätig sind. So berichtete ein ehemaliger Student im September 2020, dass Professor Peter Schaubach, Honorarprofessor für Family Office und Akademischer Direktor CFFO – Competence Center for Family Office, die Business School verlassen habe. Auf eine Anfrage hüllte sich die Pressestelle in Schweigen. Schaubach steht noch immer auf der Liste der Lehrenden.
Unter Insidern wird zudem seit langem gemunkelt, dass fast nur noch die Professoren an der Business Schools sind, die woanders keine Stelle finden oder aus persönlichen Gründen an der EBS bleiben.
Intransparenz bei Executive Education
Eine der größten Baustellen war und ist die Executive Education. Denn die Weiterbildungsangebote der EBS-Institute wurden früher von externen Dienstleistern akquiriert und durchgeführt, die teils wiederum EBS-Professoren gehörten. Nach außen agierte man also als Hochschul-Institut, in Wirklichkeit stand manchmal das private Unternehmen eines Professors dahinter. Besonders krass war das damals bei dem vom ehemaligen Christopher Jahns gegründeten Supply Chain Management Institute – SMI Institut. Die Mitarbeiter der Hochschul-Institute waren oftmals auch nicht Mitarbeiter der EBS, sondern Mitarbeiter der jeweiligen Privatfirma – was nach außen aber nicht immer klar war. Verdient haben dabei damals vor allem die Professoren bzw. ihre Firmen, während die EBS nur einen geringen Teil der Gewinne bekam. Doch langjährige Verträge verhinderten schnelle Veränderungen.
Eines der Institute war das PFI Private Finance Institute/EBS Finanzakademie von Professor Rolf Tilmes. Der war zwar mal Professor der EBS, ist es aber schon lange nicht mehr. Dennoch darf er sich – dank Unterstützung der EBS – weiter als Professor bezeichnen. Dabei fiel die EBS Finanzakademie bereits 2017 durch ihre eigenwillige Vermischung von akademischen und nicht-akademischen Aufgaben auf.
Im Januar 2019 wurde die EBS Executive Education GmbH mit der EBS Universität für Wirtschaft und Recht gGmbH verschmolzen und bildet nun neben der Business School und der Law School die dritte Fakultät. Leiter EBS Executive School ist Professor Kai Förstl, Professor für Supply Chain Management und Academic Director Part-Time Master in Business. Zu den vier Direktoren EBS Executive School gehören Professor Rolf Tilmes, Finance, Wealth Management & Sustainability Management, und seine Frau Jutta Tilmes als Programme Director Finance & Wealth Management.
Im Juli 2019 wurde dann die EBS Finanzakademie in die EBS Executive School integriert. Sie bietet zahlreiche Zertifikate für Finanzberater an, die diese dann auf einen „Master in Business“ mit Spezialisierung in Wealth Management anrechnen lassen können und so auch ohne ersten Hochschulabschluss einen Master-Abschluss der EBS erwerben können.
Das Vorwort in der Master-Broschüre ist von Professor Tilmes, der keine akademische Position an der EBS mehr hat. Wer dort unterrichtet, ist nicht ersichtlich. Ansprechpartnerin für Interessenten ist seine Frau Jutta Tilmes, die zudem Geschäftsführerin der Tilmes Consult GmbH an derselben Adresse ist. Tilmes Consult ist im Juli 2019 aus der „Finanzakademie – FER Financial Education and Research“ hervorgegangen und steigerte seinen Jahresüberschuss von minus 5.200 Euro im Jahr 2018 auf plus 278.400 Euro im Jahr 2019.
Eine zumindest bemerkenswerte Konstruktion findet man auch bei dem neuen Zertifikatsprogramms „Digital Transformation Manager (EBS)“. Das Programm steht unter der wissenschaftlichen Leitung des EBS-Honorarprofessors Christoph Fuchs, der zugleich Senior Principal für Product Lifecycle Management bei Siemens Advanta Consulting ist und zudem Mitgründer des Product Innovation LABs an der EBS. Die Dozenten kommen fast ausschließlich von Siemens Advanta Consulting. Das Zertifikatsprogramm ist zudem Grundlagenmodul für den neuen „Master in Business“ mit Spezialisierung in Digitaler Transformation. Die EBS vergibt also ein Hochschulzertifikat, an dem die Hochschule quasi nicht beteiligt ist und dessen wissenschaftliche Leitung in den Händen des Managers einer externen Beratung liegt. Wie üblich schwieg die Pressestelle auf eine entsprechende Anfrage auch hierzu.
Fehlende Akkreditierung
Um als Business School im internationalen Markt mitspielen zu können, braucht die EBS eine internationale Akkreditierung durch die AACSB oder EQUIS. 2012 hatte sie beim dritten Versuch das EQUIS-Gütesiegel bekommen und 2016 wieder verloren. Seitdem kann die EBS auch nicht mehr an den relevanten Rankings wie dem der Financial Times teilnehmen. Dennoch weist sie noch immer auf ihre Platzierung im FT-Ranking von 2016 hin. Geworben wird zudem mit den Platzierungen in den fragwürdigen Eduniversal-Rankings und den Ranglisten des dubiosen CEO Magazine.
Laut einem FAZ-Artikel vom Juni 2016 wollte die EBS nach dem Scheitern bei EQUIS bereits 2019 eine Akkreditierung bei der AACSB haben. Bis heute ist das nicht der Fall.
Eine finanzielle Schieflage, sinkende oder stagnierende Studierendenzahlen, Unklarheiten bei den Professoren, die fehlende internationale Akkreditierung und damit ein Teilnahmeverbot an relevanten Rankings, mangelnde Transparenz bei der Executive Education und eine fragwürdige Informationspolitik (auch vonseiten SRH) – für den neuen Rektor gibt es also jede Menge offene Baustellen. Es wird daher spannend, ob Martin Boehm ein echter Turnaround gelingt. Einfach dürfte es auf jeden Fall nicht werden.
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