Economist-Ranking: Jenseits der Glaubwürdigkeit

Von am 15. Oktober 2016
Schwertfeger

Mit seinem neuen MBA-Ranking hat der Economist seine Glaubwürdigkeit endgültig verspielt. Schon in den vergangenen Jahren konnte man die Rangliste aufgrund der zahlreichen absurden Abstürze und Aufstiege nicht mehr ernst nehmen. Doch nun hat das britische Wirtschaftsmagazin auch noch Programme von Schulen gerankt, zu denen überhaupt keine aktuellen Daten vorlagen und die sich ausdrücklich gegen eine Teilnahme ausgesprochen haben.

Professor Ralf Boscheck ist fassungslos. Obwohl der MBA-Direktor des IMD dem Economist schon vor Monaten mitgeteilt hatte, dass die Schule am diesjährigen Ranking nicht teilnimmt, weil sie die Methodologie für äußerst fragwürdig hält, wurde das IMD im neuen Ranking dennoch bewertet. Dabei hatte sich Boscheck wirklich bemüht, das Ranking zu verstehen.

Nachdem das Vollzeit-MBA-Programm des IMD in Lausanne im Economist-Ranking im vergangenen Jahr um elf Plätze auf Platz 32 gefallen war (2011 war es noch auf Platz 3!), wollte der MBA-Direktor der Sache auf den Grund gehen und verstehen, wie es zu den Ergebnissen kam. Im Dezember flog er daher nach London und bat den zuständigen Economist-Redakteur William Ridgers darum, ihm doch zu erklären, wie das Ranking zustande kommt. Doch das konnte dieser nicht, da die Erstellung der Rangliste an einen Freelancer ausgelagert war. Aber auch der konnte ihm keine zufriedenstellende Auskunft geben und Boscheck flog mit noch mehr Fragen zurück.

In Lausanne setzte sich der MBA-Direktor mit anderen Professoren und Experten am IMD zusammen. Gemeinsam versuchte man die Bewertung zu verstehen – was nicht gelang, schon allein deshalb, weil der Economist seine Methodologie und die Gewichtung einzelner Faktoren nicht offenlegt.

Boscheck sieht in dem Ranking etliche logische Fehler bei der Gewichtung der Kriterien, die das IMD mit seinem kleinen MBA-Programm mit 90 Teilnehmern per se benachteiligen. Rund ein Drittel des Rankings sei „scale sensitive“ – hänge also mit der Größe des Programms zusammen. Wenn das IMD zum Beispiel beim Kriterium „Rekrutierer aus verschiedenen Branchen“ genauso gut abschneide wie INSEAD mit seinen über 1000 Studenten, dann zeige es eigentlich eine überdurchschnittliche Leistung, werde aber im Ranking dafür bestraft.

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Das IMD-Programm unterscheidet sich vor allem darin von anderen Programmen, dass die Teilnehmer mit durchschnittlich 31 Jahren älter und mit sieben Jahren Berufserfahrung deutlich erfahrener sind. Zudem gilt das Programm mit 90 Teilnehmern aus 39 Ländern (80 Prozent haben mindestens sechs Monate außerhalb ihres Heimatlandes gelebt) als extrem international. Und – auch das ist eine Ausnahme – 69 Prozent der Absolventen landen in der Industrie, während an vielen anderen Schulen Consulting und Finance die beliebtesten Branchen sind.

Dass das Economist-Ranking fragwürdig ist, zeigte sich schon in den vergangenen Jahren an den absurden Auf- und Abstiegen und den absurden Ergebnissen. In diesem Jahr verzeichnen 28 der 100 Schulen einen zweistelligen Auf- oder Abstieg. Einigen schnitten mehr als 30 Plätze schlechter ab als im Vorjahr, andere mehr als 20 Plätze besser. Da sich die MBA-Programme jedoch innerhalb eines Jahres kaum so gravierend dürften, liegt das vor allem an der fragwürdigen Methodologie.

Beim IMD beschloss man daher, beim nächsten Ranking 2016 nicht mehr teilzunehmen. Man informierte den Economist, der dies auch akzeptierte. Vor drei Wochen bekam Boscheck dann die Nachricht, dass das IMD doch gerankt werde – auch wenn die dafür notwendigen Daten der Studenten und Alumni überhaupt nicht vorliegen.

“Die Daten wurden in zwei Umfragen im Frühjahr 2016 gesammelt”, schreibt der Economist auf seiner Website. Der erste Fragebogen musste von den Schulen ausgefüllt werden, macht 80 Prozent des Rankings aus und umfasst zum Beispiel die „Zahl der registrierten Alumni“. Die restlichen 20 Prozent stammen aus einem Fragebogen, den Studenten und Absolventen der letzten Klasse ausfüllen müssen. Dafür sind mindestens 50 Antworten der Studenten/Alumni oder – je nachdem welche Zahl niedriger ist – 25 Prozent der aktuellen Klasse notwendig, um überhaupt bei dem Ranking berücksichtigt zu werden.

Das IMD hat keine dieser Daten vorgelegt. „Keiner weiß, was die da gemacht haben“, sagt Boscheck. Doch es wird noch dreister. Auf der Economist-Website gibt es eine Liste mit 16 Schulen, die eine Teilnahme abgelehnt haben, darunter die Bradford School of Management, die CEIBS in Shanghai, die McGill University und die Indian School of Business. Nicht erwähnt werden jedoch das IMD und Oxford, das offenbar auch keine Daten vorgelegt hatte. Dafür heißt es, man bewerte gelegentlich eine Schule, die ihre Teilnahme verweigert hat und nutze dafür andere Quellen. Und natürlich werden die Leser nicht darüber informiert, dass etliche Schulen überhaupt nicht teilgenommen haben – und wer durchforstet schon die Ausführungen zur Methodologie?

„Selbst wenn wir auf Platz 1 wären, würde ich mich schämen, bei so einem dem Ranking dabei zu sein“, erklärt Boscheck. Immerhin landete das IMD auch ohne aktuelle Daten auf Platz 23 und schnitt damit neun Plätze besser ab als im Vorjahr. Ein ähnliches Schicksal erlitt die Oxford Said School of Business. Auch sie wurde zwangs-gerankt – ohne dass sie Daten vorgelegt hat und landete nur auf Platz 83. Eine Stellungnahme gab Oxford dazu auf Anfrage nicht ab.

Das IMD geht dagegen in die Offensive und schreibt auf seiner Website man wisse nicht, welche Daten der Economist nutze: „Was wir wissen, ist, dass das Economist-Ranking nun auch noch den letzten Hauch seiner Seriosität verloren hat.“ Er sei zwar grundsätzlich ein Gegner der Rankings, weil dort Äpfel und Kühlschränke verglichen werden, erklärt Boscheck. Aber das Vorgehen des Economist sei untragbar.

Die Frage, warum das IMD nicht rechtzeitig über die Zwangs-Bewertung informiert wurde (und die Daten noch nachreichen hätte können) und warum der Economist nicht auf die zahlreichen „logischen Fehler“ reagiert hat, kann oder will Economist-Redakteur William Ridgers nicht beantworten. Stattdessen reagiert mit einer billigen Retourkutsche. Das IMD sei eben enttäuscht, dass es nicht mehr so gut abschneide, was zum Beispiel daran liege, dass Rekrutierer aus weniger Branchen ans IMD kommen (siehe logischer Fehler oben) und die Klasse geographischer weniger divers sei – woher er allerdings die aktuellen Zahlen hat, bleibt sein Geheimnis.

„Das Ziel unseres Rankings ist es, Studenten bei der Auswahl des MBA-Programms zu helfen“, schreibt er. „Ein Ranking, das nur Schulen umfasst, die glücklich mit ihrer Positionierung sind, bringt nicht viel Nutzen.“ Das ist nun wirklich dreist. Denn ein Ranking, dass nicht aufgrund von aktuellen Zahlen zustande kommt und mindestens 16 Schulen nicht berücksichtigt, die ihre Teilnahme verweigert haben, bringt noch weniger Nutzen und ist eher eine Irreführung potentieller MBA-Studenten.

Ralf Boscheck kennt das Risiko seines Protests. Denn auch wenn das Ranking noch so abstrus ist, gibt es immer Schulen, die stolz mit ihrer Platzierung werben. „Aber einer muss doch die Fahne mal hochhalten“, sagt der MBA-Direktor. Daher hat er im Economist eine einseitige Anzeige gekauft, in der das IMD klar stellt: “Wir haben nicht an dem Ranking teilgenommen und sind überrascht, dass wir trotzdem gerankt wurden” und auch auf seine Website verweist. Dort heißt es dann: “Leider gibt es nur wenig, was das IMD tun kann, damit der Economist sein Vorgehen stoppt.

Aber wer weiß, vielleicht müssen ja erst genügend Schulen Geld für eine Anzeige im Economist hinblättern, in der sie sich gegen das unseriöse Ranking wehren, damit es sich der Economist leisten kann, Geld in ein wenigstens einigermaßen seriöses Ranking zu investieren?

Eine Analyse der absurden Rangliste findet man beim MBA-Portal Poets&Quants

 

 

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.