Unis: Master für Berufserfahrene notwendig

Von am 17. April 2023
Industry-Master IE University

Universitäten müssen mehr Master-Programme für Berufserfahrene anbieten. In Singapur fördert die Regierung das jetzt.

„Universitäten vergessen die Menschen mitten in ihrer Laufbahn“, kritisierte Venky Shankararaman, Vice Provost an der Singapore Management University (SMU). „Sie sind auf junge Menschen fixiert.“ An der SMU arbeite man derzeit an einem flexiblen Master-Programm, das auf Beruferfahrene zugeschnitten sind, dem sogenannten Industry-Master.

Das sagte Shankararaman auf der Konferenz „Reinventing Higher Education (RHE)“, wo Hochschulvertreter aus der ganzen Welt über wichtige Trends in der heutigen Hochschulbildung diskutierten. Unter dem Thema „New Humans, New Society, New Higher Education“ ging es um beschäftigungsfähige Hochschulabsolventen, internationale Mobilität, Süd-Nord-Partnerschaften, Dekolonisierung und die Umsetzung einer Ubuntu-Vision für die globale Hochschulbildung. Die Konferenz wurde gemeinsam von der spanischen IE University und südafrikanischen University of Cape Town (UCT) ausgerichtet.

Die Regierung in Singapur ändere gerade ihre Strategie, sagte Shankararaman. Sie unterstütze kontinuierliches Lernen und fokussiere sich dabei auf diejenigen, die keinen Master an der Universität gemacht haben. „Das sind Menschen mittleren Alters, die seit Jahren in der Industrie arbeiten und deren Jobs wegfallen“, sagt der Vice Provost. „Wie kann man sicherstellen, dass sie neue, notwendige Fertigkeiten erwerben?“

Das betreffe vor allem kleine und mittlere Unternehmen. „Das ganze Unternehmen kann untergehen, weil sich die Mitarbeiter nicht entsprechend weitergebildet haben, einschließlich des CEO“, sagt der Associate Dean. Die Frage sei daher, wie man diese Unternehmen auf einem Pfad halte, wo sie sich immer wieder neu erfinden können. „Einige Branchen verschwinden auch ganz, die Menschen müssen vorbereitet sein“, so Shankararaman.

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Derzeit arbeite er daran, einen sogenannten Industry-Master zu entwickeln. Der sei sehr unterschiedlich zu den bisherigen Master-Programmen, die auf akademischen Credentials basieren. Aber das sei nicht geeignet für jemanden, der bereits seit Jahren arbeitet. Die Frage sei daher, wie gestalte man ein neues Curriculum für diese Menschen? Statt zehn Wochen Kurs und dann einer Prüfung, müsse man flexible Angebote entwickeln.

Ziel sind sogenannte aufstockbaren (stackable) Abschlüsse – wie sie auch im MBA-Bereich immer populärer werden. Die Teilnehmenden besuchen einen zwei- oder dreitägigen Kurs an der SMU und können ihn dann zu einem Zertifikat und weiter zu einem Master aufstocken. Man müsse Flexibilität bieten, wie sie die Kurse absolvieren: asynchron, hybrid oder in Präsenzseminaren. „Bei der Prüfung müssen wir anstatt auf Lerninhalte mehr auf Kompetenzen achten“, sagt der SMU-Professor.

Dazu müsse man ein Ökosystem für den Lerner aufbauen, also mit dem Vorgesetzen und dem HR-Verantwortlichen und der Uni. „Wir müssen Coaches engagieren, die die Transformationen in der Branche sehen und erkennen, welche Fähigkeiten notwendig sind“, sagt er. Das müsse auf kontinuierlich ablaufen. Wenn der Mitarbeitende mit seinem Vorgesetzen spreche, müsse er seine Lernziele klar formulieren und wissen, wie das Gelernte dem Unternehmen hilft. Sonst werde es nicht unterstützt.

Möglich seien dabei personalisierten Kurse, bei denen man selbst entscheiden kann, was man lernen will. Zum Beispiel, wie Künstliche Intelligenz meine Branche verändert. Dann kann die Uni gemeinsam mit dem Mitarbeitenden definieren, was er lernen muss, wie er zeigt, was er gelernt hat und wie er es in seinem Unternehmen implementiert. Er könne zum Beispiel zehn Mitarbeiter schulen, dass sie verstehen, wie Künstliche Intelligenz die Lieferkette beeinflusst. Der personalisierte Kurs sei dann Teil des Curriculums. Oder ein Projekt für die eigene Firma, bei dem der Mitarbeitende darüber reflektiert, wie es gelaufen ist. Die Uni könne einen akademischen Credit dafür vergeben. Auch könne man heute eine Web-Zertifizierung zum Beispiele bei Google machen und das dann als Teil des Programms anerkennen. Die Herausforderung sei, wie man die Qualität sichert. „Wir können unsere Abschlüsse nicht verschenken“, so Shankararaman. „Da müssen wir Maßnahmen zur Qualitätskontrolle haben und wir brauchen ein Komitee, das entscheidet, welche Zertifikate relevant sind.“

Vor kurzem sei es auf einer Konferenz über lebenslanges Lernen in Norwegen gewesen und dort ging es auch darum, wie man Universitäten dazu bringt, sich um Berufserfahrene zu kümmern. „Die wollen alle junge Studierende“, sagt der Professor. Soweit er wisse, sei die SMU die einzige Uni, die mit einem neuen Design einen Industry-Master schaffe. In Deutschland gebe es zwar das duale Studium, aber auch das richte sich auch an die Jüngeren und nicht die, die schon lange im Job sind.

Das Problem sei die Befürchtung, dass man damit die normalen Master-Programme kannibalisiere. Aber vielleicht werde der reguläre Master irgendwann nicht mehr relevant sein. Es gebe bereits einige Firmen, die achten weniger auf die Abschlüsse. Zum Beispiel Google. Dort nehme man auch Menschen ohne Abschluss. Aber das sei noch immer eine Ausnahme.

„Wir schauen auf Mitarbeitende, die ihren ersten Abschluss vor zehn Jahren gemacht haben und die sich weiterbilden müssen, während sie arbeiten und Familie haben“, sagt Shankararaman. „Wir hoffen, dass wir das Programm in den nächsten Monaten starten können.“ Aber es erst müsse es noch durch die Gremien der Uni gehen und genehmigt werden. „Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen“, sagt der Professor. „Schließlich reden alle vom lebenslangen Lernen, aber nur wenige Unis machen es.“

Die große Herausforderung für die Uni sei es, dass sie mit den Programmen keine Verluste mache. Die Regierung unterstütze daher jeden Singapurer und jeden mit einer permanenten Aufenthaltserlaubnis. Sie zahlen nur 20 Prozent der Kosten, den Rest zahlt die Regierung.

Die Singapore Management University (SMU) ist eine der führenden Universitäten Asiens und international für ihre erstklassige Forschung und hervorragende Lehre anerkannt. Die im Jahr 2000 gegründete SMU hat es sich zur Aufgabe gemacht, Spitzenforschung mit globaler Wirkung zu betreiben und breit gefächerte, kreative und unternehmerisch denkende Führungskräfte für die wissensbasierte Wirtschaft hervorzubringen. Die Ausbildung an der SMU ist bekannt für ihren interaktiven, kooperativen und projektbasierten Lernansatz. Die SMU hat mehr als 12.000 Studierende, die an den acht Fakultäten, darunter der Lee Kong Chian School of Business, studieren.

Foto: Venky Shankararaman, Vice Provost an der Singapore Management University (SMU)

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.