Raffinierte Mogelpackung: Das seltsame Treiben der Hamburger Allfinanz Akademie
Die Idee ist bestechend: Man nehme den Fortbildungskurs einer staatlichen deutschen Universität, ergänze ihn durch ein paar Kolloquien, Seminare und Prüfungen und suche sich eine britische Universität, die im Rahmen eines Franchise-Angebotes dafür den MBA-Titel verleiht.
Genau das macht die Allfinanz Akademie in Hamburg seit 1990. Denn Hauptbestandteil des „MBA für Finanzdienstleister“ der Allfinanz-Akademie ist nichts anderes als der viersemestrige Weiterbildungskurs „Finanzdienstleistung“ der FernUniversität Hagen. Zulassungsvoraussetzungen gibt es dort ebenso wenig wie eine Betreuung oder Prüfung. Am Ende bekommt man dafür aber auch kein Diplom, sondern lediglich eine Teilnahmebestätigung, die auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Rolle spielt. Wer sich jedoch zusätzlich für teures Geld bei der Allfinanz-Akademie einschreibt, dort noch zwei Seminare und zwölf eintägige Kolloquien besucht, fünf Prüfungen ablegt und eine Projekthausarbeit mit durchschnittlich 60 Seiten – hochtrabend Dissertation genannt – schreibt, bekommt einen MBA-Titel – offiziell verliehen von der University of Wales. Dafür muss er nicht einmal nach Großbritannien reisen oder englische Kursmaterialien durcharbeiten. Denn die Briten sind nach angeblich „gründlicher Überprüfung“ zu dem Schluss gekommen, dass das deutschsprachige Allfinanz-Programm einem MBA-Studiengang an der University of Wales als „gleichwertig“ anzusehen sei.
Im Vergleich zu den strengen Aufnahmeverfahren aller guten MBA-Programme sind die Zulassungsvoraussetzungen dabei nahezu lächerlich. Nicht einmal das Abitur ist notwendig, sondern der Teilnehmer muss lediglich 25 Jahre alt sein, zwei Jahre in einem fachlich einschlägigen Job tätig gewesen sein und einen ziemlich simplen Aufnahmetest bestehen. Da muss er dann Multiple-Choice-Fragen beantworten wie: Welche Städte liegen in Bayern? Stuttgart, Freiburg, Hannover oder Augsburg? Oder wie viele Bundesländer hat die Bundesrepublik Deutschland? 10, 15, 12 oder 16?
Lothar Streitferdt, Leiter der Allfinanz-Akademie und im Hauptberuf Professor an der Universität Hamburg, findet das ganz normal. „Für den MBA braucht man kein Abitur. Das ist überall im britischen System so“, behauptet er und unterschlägt dabei, dass der Master of Business Administration (MBA) ein klassischer Postgraduate-Abschluss ist, also normalerweise einen ersten Hochschulabschluss voraussetzt, der bei einigen MBA-Programmen allenfalls durch eine mehrjährige, hochkarätige Managementerfahrung ersetzt werden kann.
Aber schließlich war das Allfinanz-Programm vor allem für „Praktiker aus dem Finanzgewerbe“ – sprich Versicherungsvertreter – gedacht. „Es war höchste Zeit, dem Praktiker aus dem Finanzgewerbe eine fundierte und umfassende Ausbildung zu ermöglichen, die durch einen renommierten Abschluss die nötige Anerkennung erhält“, sagte Lothar Streitferdt 1990. Damals war er laut einem FAZ-Artikel auch Vorstandsmitglied der zur Llyods-Gruppe gehörenden Transatlantischen Lebensversicherungs AG in Hamburg, und die britische Llyods Abbey Life plc. steckte auch hinter der Gründung der Allfinanz Akademie. „Rund 60 Prozent der Anteile dieser Gesellschaft werden von der Lloyds Bank pl London Großbritannien gehalten, die restlichen Anteile befinden sich in Streubesitz“, heißt es in der Allfinanz-Broschüre.
Doch das ist längst überholt. Inzwischen gehört die Mehrheit der Allfinanz Akademie AG Lothar Streitferdt selbst. Die Llyods Bank habe sich zurückgezogen, weil die Finanzdienstleister kein großes Interesse an dem MBA hatten, erklärt der Uni-Professor. Heute seien die meisten Teilnehmer Ingenieure und Juristen. Die persönlichen Querverbindungen gehen noch weiter: So hält angeblich auch der Bundesverband Finanzdienstleistungen e.V. (FiFa), dessen Präsident Streitferdt etliche Jahre war, fünf Prozent der Allfinanz-Anteile und im FiFa-Verbandsblatt wird noch immer kräftig für das MBA-Programm geworben. Dort heißt es: „Auch für Nichtakademiker mit Berufserfahrung. Zur Vorbereitung auf das neue Berufsrecht.“ Denn neben dem MBA bekommen die Teilnehmer auch noch ein Zeugnis zum „Geprüften Finanz- und Anlageberater“.
Noch skandalöser wird es bei der Zusammenarbeit mit der FernUni Hagen. Denn im MBA-Abschlusszeugnis steht: „Ein Studienangebot der Allfinanz Akademie AG in Zusammenarbeit mit der FernUni Hagen und der University of Wales.“ Doch die Pressestelle der FernUni beteuert: „Mit dem MBA haben wir überhaupt nichts zu tun. Es gibt lediglich einen Kooperationsvertrag mit der Allfinanz Akademie.“ Das bestätigt auch Streitferdt: „Es gibt keine Kooperation zwischen Hagen und Wales.“ Dennoch spielt die staatliche Hochschule die entscheidende Rolle bei der Vermarktung des privat angebotenen kommerziellen MBA-Programms. „Ohne Hagen würde es nicht funktionieren“, sagt Huw Flynn Hughes vom Validation Board der University of Wales. „Die tun das meiste für das Programm.“
So wird das MBA-Studium im Weiterbildungsprogramm der Uni nicht nur ausführlich beschrieben, es gibt sogar eine eigene Geschäftstelle der Allfinanz Akademie an der Uni. Die Ansprechpartnerin ist identisch mit der des Lehrstuhls Betriebswirtschaftslehre von Professor Michael Bitz. Schließlich ist Bitz seit 1990 auch Studienleiter der Allfinanz Akademie.
Auch andere Professoren der FernUni wie Ulrich Eisenhardt, Rainer Olbrich und Dieter Schneeloch verdienen sich mit ihrer genehmigten Nebentätigkeit dort ein nettes Zubrot. Laut aktuellem Allfinanz-Briefpapier vom April 2002 sitzt sogar der – längst abgetretene – „Kanzler Ralf Bartz (FernUniversität)“ im Aufsichtsrat.
Doch damit nicht genug. Auf dem MBA-Zeugnis unterschreibt Streitferdt mit „Universität Hamburg“ und Bitz mit „FernUniversität Hagen“, obwohl die Universitäten nichts mit dem Programm zu tun haben. Die Dreistigkeit, mit der die beiden ihre Professorentätigkeit für ihre privaten Geschäfte nutzen, ist schon unglaublich.
Aber schließlich ist das MBA-Programm eine lukrative Einkommensquelle. 11755 Euro kostet der MBA. Lediglich 716 Euro muss man für den Fernkurs von Hagen berappen. Knapp 560 Euro verlangt die University of Wales für ihre Titelvergabe. Bleiben pro MBA-Absolvent über 10000 Euro übrig, von denen noch die paar Zusatzleistungen bezahlt werden müssen. 205 Studenten haben laut Angaben der University of Wales zwischen Juni 1999 und Dezember 2001 das Programm erfolgreich absolviert. Macht mehr als zwei Millionen Euro Einnahmen allein in zweieinhalb Jahren.
Der MBA als Gelddruckmaschine für Uni-Professoren? Allfinanz-Mehrheitseigner Streitferdt wiegelt ab. Schließlich habe man hohe Kosten für die Übersetzung der Kurseinheiten. Laut University of Wales müssen jedoch vor allem formale Dokumente und regelmäßige Reports übersetzt werden. Außerdem, so Streitferdt, müsse man den ganzen Apparat der Allfinanz Akademie bezahlen. Doch auch diese Kosten dürften nicht gravierend sein. Das Sekretariat leitet seine Frau, die Adresse der Allfinanz Akademie ist identisch mit seiner Privatadresse.
Dabei weiß der Dekan der Hamburger Uni genau, wie es um die Qualität seiner Akademie bestellt ist. Schließlich trat er 1995 an die Behörde für Wissenschaft und Forschung in Hamburg mit der Bitte heran, die Allfinanz Akademie als staatlich anerkannte Hochschule zuzulassen. Die vorgelegten Unterlagen ließen erkennen, dass diese „in keiner Weise die Voraussetzungen“ dafür erfüllte, heißt es in einem internen Papier.
Doch Streitferdt fand noch einen anderen Weg, um das Image seines Programms aufzumöbeln. So hieß es bis vor kurzem auf der Allfinanz-Homepage im Internet: „Das Institute for Financial Management an der University of Wales“ bietet in Zusammenarbeit mit dem „International Centre for Banking and Financial Services“ an der Manchester Business School…. einen “distance learning MBA for financial specialists” an. Nach gründlicher Überprüfung und nach der Einrichtung laufender Kontrollen ist der Validation Board der University of Wales zu dem Ergebnis gekommen, dass das Studienangebot ,MBA für Finanzdienstleister‘ der Allfinanz Akademie als gleichwertig anzusehen ist.“ Einem MBA-Interessenten schrieb Streitferdt sogar, das Allfinanz-Programm sei die „deutsche Version“ dieses Programms und die Aufnahmebedingungen seien dieselben wie in Wales.
Doch das ist eindeutig falsch. Es gibt keine Beziehung zwischen dem Programm des Institute for Financial Management (IFM) und dem der Allfinanz Akademie. „Das IFM ist ein Joint-venture der University of Manchester und der University of Wales. Der MBA-Titel wird von Manchester vergeben“, erklärt Bob Henry, Executive Director des IFM. Als die britische Akkreditierungsorganisation AMBA von der falschen Darstellung erfuhr, schlug sie sofort Alarm. Schließlich handelt es sich bei dem IFM/Manchester-Programm um ein renommiertes und akkreditiertes Programm, das keineswegs mit dem Allfinanz-Programm verglichen werden kann. IFM-Direktor Bob Henry mahnte Streitferdt daher umgehend ab und innerhalb von einigen Stunden wurde die Website geändert.
Daraufhin ordnete auch die University of Wales eine Überprüfung aller Allfinanz-Materialien an. Lothar Streitferdt kann die Aufregung überhaupt nicht verstehen. „Ich weiß nicht, warum die so nervös werden“, erklärt er. „Ob ich das auf der Homepage schreibe oder eben nur noch mündlich sage, ist doch letztlich egal.“ Schließlich habe man das Programm zusammen mit dem IFM aufgebaut. Doch auch das stimmt offenbar nicht. „Die Kooperation zwischen Wales und Allfinanz gab es bereits vor der Gründung des IFM“, erklärt IFM-Direktor Bob Henry.
Doch Allfinanz-Leiter Lothar Streitferdt denkt offenbar überhaupt nicht daran, seine Falschaussagen zu korrigieren. So bietet er sein MBA-Programm auch beim Juristischen Repetitorium hemmer.consulting AG als „MBA für Juristen“ an und dort stand auch Wochen später noch immer. „Das Validation Board hat unser Programm überprüft und kommt zu dem Ergebnis, dass unser Angebot mit dem Programm ,MBA for financial specialists‘ gleichwertig ist.“
Nach einem Artikel in der „Jungen Karriere“ über die merkwürdige Konstruktion des Allfinanz-Akademie-MBAs geht es rund. Die MBA-Studenten schimpfen im Internet-Forum der Allfinanz-Akademie wie die Rohrspatzen über den Artikel. Besonders erstaunlich ist dabei die Äußerung von Professor Michael Bitz, Studienleiter der Allfinanz Akademie und Lehrstuhlinhaber an der Fernuni Hagen. So schreibt er: „Ich glaube, dass hier bei objektiver Betrachtung, kein Anlass besteht, der Allfinanz-Akademie einen Vorwurf zu machen. Dass der Schwertfeger-Artikel ein Musterbeispiel für Journalismus aus der untersten Schublade darstellt, steht für Sie und uns alle dabei wohl außer Frage.“ Auf die in dem Artikel geäußerten Vorwürfe geht der Professor nicht ein.
Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, wenn man die Auskunft der Kultusministerkonferenz vom 18. Juli 2002 zu dem von Bitz geleiteten Studiengang liest. „Im Zuge eines laufenden Verwaltungsgerichtsverfahrens (AZ.: M 9 k o1.2152) beim Bayerischen Verwaltungsgericht München (Anm: dort hat ein Allfinanz-Absolvent geklagt, weil ihm nicht erlaubt wurde, seinen MBA-Titel zu führen) sind folgende Tatsachen durch unsere Behörde ermittelt worden. Der Studiengang an der Allfinanz Akademie ist kein Studiengang weder der Fernuniversität Hagen noch der University of Wales, sondern eine rein private Ausbildung der Allfinanz. Die dortigen Ausbildungsleistungen werden von der Fernuni Hagen wegen zu geringen Niveaus nicht auf die regulären Studiengänge angerechnet. Wales erbringt keinerlei Ausbildungs- und Prüfungsleistung. Aufgrund dieser Erkenntnisse sind einige Bundesländer inzwischen nicht mehr bereit, den MBA zur Führung zu genehmigen. Hierzu zählen u. a. Hessen, Bayern und Thüringen.“
Auch die Auskunft vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur ist eindeutig: „Auf Ihre Anfrage teile ich Ihnen mit, dass die durch die Allfinanz Akademie vermittelten Grade (MBA) hier nicht zur Führung zugelassen werden können, weil sie nicht auf einem tatsächlich an der University of Wales absolvierten Studium beruhen. Die Allfinanz Akademie hatte sich seinerzeit bei der Freien und Hansestadt Hamburg zwar um eine Anerkennung als Private Hochschule bemüht, jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen nach den Ermittlungen der zuständigen Behörde gänzlich verfehlt.“
Kapitel aus dem Buch: Bärbel Schwertfeger: Die Bluff-Gesellschaft: Ein Streifzug durch die Welt der Karriere, Wiley Verlag, Weinheim 2002