Gisma: Neue Perle im Portfolio
Das Bildungsunternehmen Global University Systems mit Sitz in London hat die insolvente Gisma Business School in Hannover übernommen. Das Studienangebot soll ausgebaut und global vermarket werden. Mit dem Kauf möchte die niederländische Gruppe auch ihre Reputation erhöhen.
Bisher betreibt Global University Systems (GUS) so unterschiedliche Institutionen wie das St.Patrick`s College, das London College of Contemporary Arts, die School of Fashion & Design London, das Finance Business Training (FBT) und die London School of Business & Finance. Dazu kommen Niederlassungen in 15 Städten und Campus-Standorte auf drei Kontinenten. Aktuell gibt es insgesamt 38.000 Studenten. Hauptinvestor ist der russischstämmige Investmentbanker und Immobilienunternehmer Aaron Etingen.
Entstanden ist GUS aus der von Etingen 2003 gegründeten London School of Business & Finance (LSBF) im Bankenviertel der britischen Hauptstadt. Name und Auftritt erinnern nicht zufällig an die renommierte London Business School (LBS), die Verwechslungsgefahr ist wohl durchaus erwünscht. „Selbst vielen Arbeitgebern ist der Unterschied nicht immer klar“, zitierte die Financial Times Deutschland den 25-jährigen Brasilianer Rafael Laky, der ein Wirtschaftsstudium an der LSBF absolvierte. In Brasilien stehe Großbritannien für gute Universitätsbildung, erklärte er. Mit ihren Präsenz- und Onlinestudiengängen hat die LSBF daher eine attraktive Nische entdeckt und umwirbt vor allem Studenten der aufstrebenden Mittelschicht in Schwellenländern.
In den klassischen Hochschulrankings taucht die LSBF bisher nicht auf. Kann sie auch nicht, denn sie darf gar keine akademischen Grade vergeben. Dafür kooperiert sie mit verschiedenen Hochschulen, weshalb die Schule auch schon in der Kritik stand. So bemängelte die britische Qualitätssicherungsagentur für Hochschulbildung QAA eine frühere Partnerschaft zur University of Wales und kritisierte, dass für die LSBF mehr Studenten auf Provisionsbasis rekrutiert worden waren, als die Hochschule aufnehmen konnte. Zudem seien die Kosten für einige Programme nicht transparent dargestellt und es seien ungeeignete Studenten zugelassen worden.
Derzeit gibt es an der LSBF einen Lincoln MBA mit der University of Lincoln, einen MBA Global, der nur online stattfindet und für den man keine Berufserfahrung braucht. Bisher hat man offenbar aber noch keine Hochschule gefunden, die den Titel vergibt. Zudem gibt es ein MBA-Programm mit der renommierten Grenoble Graduate School of Business (GGSB). Als dreifach akkreditierte Business School müsse man strikte Standards einhalten und die in London verliehenen Abschlüsse garantierten daher hohe Qualitätsstandards, schreibt die GGSB auf Anfrage.
Den Vorwurf, dass die LSBF eher zu den qualitativ geringeren Schulen gehört, bestreitet Professor Maurits van Rooijen, der seit einem Jahr als CEO bei der Gruppe tätig ist. „Unsere Philosophie ist es, ein Spektrum an Bildungsangeboten für verschiedene Zielgruppen in verschiedenen Preissegmenten anzubieten.“ Alle Bildungsanbieter von GUS seien daher in ihrem Segment gut. So sei das St.Patricks College für manche benachteiligten Kinder eben die richtige Wahl. Und die LSBF sei eben mehr auf die Praxis als auf die Wissenschaft fokussiert. Daher kämen auch viele Dozenten aus der Praxis.
Jede Institution arbeite eigenständig an ihrer Weiterentwicklung, profitiere aber von den zentralen Service-Angeboten – vor allem dem Marketing. Ziel sei es, das Portfolio mit innovativen Studiengängen zu erweitern und auch die Reputation der Gruppe zu erhöhen. Da passe die Gisma als renommierte deutsche Business School wunderbar. „Das ist unsere neue Perle im Portfolio“, sagt van Rooijen. „Wir wollen hochqualifizierte Kurse anbieten mit den besten Professoren, die wir bekommen können.“ Die ersten neuen Programme sollen 2014 starten. Das Kapitel Purdue sei abgeschlossen, betont van Rooijen. Langfristig suche man aber nach einem ähnlich hochwertigen Partner. Auch den bisher mit Purdue und zwei weiteren europäischen Business Schools angebotenen Executive MBA, das „International Master’s in Management Program (IMM)“, würde man gern weiterführen.
Derzeit spreche man mit dem Ministerium und lokalen Unternehmen, um deren Bedürfnisse zu eruieren. Geplant sind neben dem MBA auch spezialisierte Master-of-Science-Programme, die vor allem auch für internationale Studenten interessant sind. Auch die Leibniz Universität sei weiter ein sehr wichtiger Partner. „Wir wollen Programme anbieten, die nicht typisch für Leibniz sind“, sagt der Professor. „Damit können wir der Leibniz Universität helfen, ihr internationales Profil zu verbessern.“ Seit Juni 2011 ist die Gisma als eigenständige Einrichtung ein An-Institut der Leibniz Universität und diese vergibt auch den MBA-Titel im Part-time-MBA.
Er sei davon überzeugt, dass es in Deutschland einen Markt für MBA- und Masterprogramme gibt, so van Rooijen. Deutschland und auch Niedersachen hätten einen guten Ruf in der Welt und es gebe eine starke Nachfrage nach internationalen Qualifikationen. „Mit unserer Marketingpower können wir die Gisma sichtbar auf der globalen Ebene machen“, erklärt der Professor.
Ob das funktioniert, bleibt abzuwarten. Für die Gisma ist es zumindest erst einmal eine gute Lösung. Denn die private Hochschule hat bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Immer wieder kämpfte die 1999 auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder und des Unternehmers und ehemaligen RWE-Chefs Jürgen Grossmann gegründete Schule mit Finanzproblemen.
Von Anfang an kooperierte die Gisma mit der Krannert School of Management an der Purdue University. Die Absolventen bekamen einen Abschluss der US-Schule. Zudem gab es den Executive MBA mit drei Partnerschulen und später folgte noch der Part-time-MBA.
Zeitweise gelang es der Gisma, bis zu 70 – vor allem ausländische – MBA-Studenten für den Vollzeit-MBA zu gewinnen. Doch immer wieder geriet die Schule, die sich mit Fördergeldern des Landes Niedersachen, Sponsorengeldern aus der Wirtschaft und den Studiengebühren finanzierte, zwischen die Mühlen der unterschiedlichen Interessen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
2012 konnte sie dann lediglich 24 Studenten für ihren Vollzeit-MBA gewinnen – und damit viel zu wenig für die laufenden Kosten. Allein 1,9 Millionen Euro soll die Gisma jährlich an die Purdue University bezahlt haben. Im Mai reichte die Schule dann den Insolvenzantrag ein.
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