EBS-Skandal: Erneut Hinweise auf Uni-Pleite

Von am 25. Mai 2013

Die EBS-Universität für Wirtschaft und Recht kann ab Mai die Miete für das Atrium-Haus in Wiesbaden nicht mehr zahlen und bekommt daher bis Dezember 2013 Mietkosten in Höhe von 400.000 Euro gestundet, berichtet der Wiesbadener Kurier. Die Immobilie gehört einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Landeshauptstadt Wiesbaden. Deren – inzwischen abgewählter – Oberbürgermeister Helmut Müller wusste schon 2008 von den Finanzproblemen der Privathochschule und zeigte sich spendabel.

Der Hilferuf kam am 3.November 2008. „Sehr geehrter Herr Dr.Müller, Sie müssen mir an dieser Stelle helfen“, schrieb der damalige EBS-Präsident Christopher Jahns. Es folgte eine Grafik mit der Liquiditätslücke von KW 45 bis 51. Im Klartext: Der EBS stand das Wasser bis zum Hals. Die Liquiditätsprobleme seien typisch für mittelständische Unternehmen im Wachstum, soll Jahns geschrieben haben. Und schließlich biete er ja auch eine attraktive Gegenleistung für die Stadt: Aufwertung der Landeshauptstadt in der Öffentlichkeit, Presse und Events.

Müllers Sehnsucht, aus dem eher provinziellen Wiesbaden mit Hilfe der EBS eine bedeutende Universitätsstadt zu machen, muss offenbar sehr groß gewesen sein. Bereits am 15.Februar 2008 hatte die Stadt Wiesbaden mit der EBS einen Zuschussvertrag unterzeichnet. Danach zahlt die Stadt der privaten Hochschule jährlich 200.000 Euro dafür, dass sie ihren Hauptsitz von Oestrich-Winkel nach Wiesbaden verlegte. Bezahlt wurde rückwirkend auch für 2007, das heißt im März 2008 flossen 400.000 Euro auf das Konto der EBS.

Schon damals soll EBS-Präsident Jahns seinen Unterstützer Müller mit einem Feuerwerk von Argumenten für die Unterstützung der EBS bombardiert haben. Sogar von einer Rhein-Main-Universität soll die Rede gewesen sein. Das alles muss den Oberbürgermeister offenbar so beeindruckt haben, dass sich die Stadt in dem Zuschuss-Vertrag angeblich sogar ein Freistudium für einen Mitarbeiter der Stadt pro Jahr zusichern ließ.

Zumindest hatte Müller im November 2008 ein offenes Ohr für die notleidende Privathochschule. Bereits am 13.November 2008 – also zehn Tage nach Jahns Hilferuf – beschloss die Stadtverordnetenversammlung einen „Nachtrag zur Unterstützung der Unterstützung der European School International University“ im Rahmen „der Ansiedlung eines zusätzlichen Standortes in Wiesbaden“. Danach werde der EBS für 15 Jahre ein jährlicher Zuschuss von 200.000 Euro (insgesamt 3 Millionen Euro) gewährt. Dabei könnten der EBS bereits vorab Teilbeträge (abgezinst) gegen Gewährung von Bankbürgschaften oder eines Grundpfandrechts zur Verfügung gestellt werden. Zunächst sei dabei eine Rate von rund 1,4 Millionen Euro vorgesehen.

Doch eine Bankbürgschaft soll die EBS abgelehnt haben – möglicherweise wollte man sich nicht so genau in die Bücher schauen lassen. Schließlich einigte man sich auf eine Grundschuld auf die EBS-Immobilie in Oestrich-Winkel für die Stadt Wiesbaden in Höhe von 1,4 Millionen Euro. Doch auch das soll sich zunächst als schwierig erwiesen haben. Denn auf Schloss Reichartshausen war offenbar bereits eine Grundschuld von 7,4 Millionen Euro eingetragen – bei einem Verkehrswert von 8,0 Millionen Euro. Der Deal soll daher erst geklappt haben, nachdem die Gemeinde Oestrich-Winkel der EBS gehörende landwirtschaftlich genutzte Grundstücke zu Bauland deklarierte und die EBS diese mit Wertsteigerung verkaufen konnte, um so die bereits bestehenden Schulden auf der Immobilie zu reduzieren.

Aber zwischendurch gab es im Februar 2009 noch mal eine kleine Geldspritze in Höhe von 200.000 Euro als Zuschuss für 2009. Im April bekam die EBS dann endlich die ersehnten 1,4 Millionen Euro. In der veröffentlichten Bilanz der EBS von 2009 taucht jedoch weder das langfristige Darlehen noch ein Hinweis auf die Grundschuld auf. Auf Nachfrage antwortete die EBS: „Der Betrag wurde keineswegs 2009 ergebniswirksam verbucht, sondern in der Bilanz in der für solche Fälle vorgesehenen Position Rechnungsabgrenzungsposten passiviert.“ Diese Position betrug 5,8 Millionen Euro. Im Anhang heißt es dazu, dass es sich beim passiven Rechnungsabgrenzungsposten „um vorausberechnete Studiengebühren für Spring Term 2009 (01.01.2010 – 31.07.2010)“ handelt.

Dieselbe Erläuterung findet sich auch in den Jahren 2007, 2008 und 2010. An keiner Stelle erfolgt 2009 und 2010 ein Hinweis auf ein langfristiges Darlehen der Stadt Wiesbaden über 1,4 Millionen, das durch eine Grundschuld abgesichert ist.

Auf erneute Nachfrage hieß es: „Die vorausberechneten Studiengebühren sind zwar bei weitem die größte, aber keineswegs die einzige Position im passiven Rechnungsabgrenzungsposten. Im derzeit in der Finalisierung befindlichen Entwurf des Abschlusses für 2011 wird der Satz daher auch ergänzt: Bei dem passiven Rechnungsabgrenzungsposten handelt es sich im Wesentlichen um vorausberechnete Studiengebühren. Die Vorabzahlungen der Stadt Wiesbaden wurden aber stets korrekt passiviert.“ Die Frage nach dem Hinweis auf die Grundschuld wurde erneut nicht beantwortet.

Abgesehen von der bemerkenswerten Bilanzierungs-Praxis zeigt der Vorfall, dass die EBS bereits 2008 unter erheblichen Finanzproblemen litt. 2009 gab es dann erst die 1,4 Millionen von der Stadt, im zweiten Halbjahr die ersten 6 Millionen Euro vom Land für den Aufbau der Law School. Im Frühjahr 2010 soll die EBS dann wieder kurz vor der Pleite gestanden haben. Doch zum Glück kamen weitere Gelder vom Land. Anfang 2013 drohte erneut Zahlungsunfähigkeit, die nur durch Überbrückungskredite der Banken abgewendet werden konnte, die dafür wiederum eine Landesbürgschaft in Höhe von einer Millionen Euro haben wollen.

Insgesamt hat das Land Hessen bisher rund 24 Millionen Euro in die EBS investiert. Die letzte Tranche in Höhe von 700.000 Euro wurde erst vor kurzem bezahlt. Dennoch hat die Privat-Uni heute nicht mehr mal das Geld, um ihre Miete von 50.000 Euro monatlich zahlen zu können.

Bei der Serie von Beinahe-Pleiten ist es kein Wunder, dass sich die hessische Landesregierung im Untersuchungsausschuss mit allen Tricks dagegen wehrt, dass die Kungelei auf Kosten des Steuerzahlers ans Licht kommt. Der Ausschuss soll schließlich klären, ob bei der Verwendung der Steuer-Millionen alles rechtens ablief. Der bereits 2011 geschasste Ex-EBS-Präsident Christopher Jahns steht derweil wegen Untreue-Vorwurf vor Gericht.

Die Wiesbaden-Episode zeigt auch, wie eng das Verhältnis von Jahns mit Wiesbadens Oberbürgermeister Helmut Müller war und sie belegt, dass Müller, der bis Ende 2012 auch im Stiftungsrat der EBS saß, bereits 2008 wusste, wie prekär die finanzielle Lage der EBS war. Dennoch war es vor allem Müller, der sich besonders vehement dafür einsetzte, dass die EBS die 24 Millionen Euro Fördergelder des Landes für den Aufbau der Law School bekam.

Vor kurzem tagte der Revisionsausschuss der Stadt Wiesbaden. Als es um die EBS ging, wurde die öffentliche Sitzung kurzerhand zu einer nicht-öffentlichen Sitzung. Darin soll Müller jegliche Kritik abgeschmettert haben. Die Stadt habe schließlich das Risiko gut abgesichert. Und wer weiß: Vielleicht ist Wiesbaden ja bald keine Universitätsstadt mehr, aber dafür Schloss-Besitzer.

 

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.