Berater: Bezahlt fürs Nichtstun

Von am 29. August 2023
Berater pexels andrea piacquadio

Ein Job als Berater bei den großen Consultingfirmen gilt als beliebter Einstieg bei MBA-Absolventen. Aber da es kaum Kunden gibt, verbringen einige junge Berater ihre Tage mit Nichtstun. Bezahlt werden sie trotzdem.

Beratungen gelten als beliebter Arbeitsplatz für MBA-Absolventen. Und Consultingfirmen gehören zu den größten Recruitern an den Elite-Universitäten. Sie stellten fast die Hälfte der letztjährigen MBA-Absolventen der Yale University, des Dartmouth College und der University of Virginia ein – mit einem Durchschnittsgehalt von 175.000 Dollar. Nach einigen Jahren der Arbeit landen viele von ihnen mit den Erfahrungen, die sie bei der Beratung von Firmenkunden gesammelt haben, in Führungspositionen in Unternehmen. Und der Wettbewerb um die Jobs ist hart. McKinsey hatte 2022 für 10.000 Stellen eine Million Bewerber.

Wer es schafft, muss in der Regel mit Zwölf-Stunden-Tagen rechnen und bis spät in die Nacht PowerPoint-Präsentationen korrigieren. Doch heute hoffen viele neu eingestellte Berater einfach nur darauf, an irgendeinem Projekt mitzuarbeiten. Zum ersten Mal seit Jahren haben sie zu wenig zu tun – und das stresst sie mehr als die Arbeit rund um die Uhr, berichtet das Wall Street Journal. Einige junge Berater sagten, dass sie ihre Freizeit mit Sport, Netflix oder einem Nickerchen verbringen, während sie trotzdem bezahlt werden.

Unternehmen wie KPMG und Ernst & Young, die mit einem schwächeren Geschäftsverlauf und den Folgen einer großen Einstellungswelle zu kämpfen haben, entlassen sogar Mitarbeiter. McKinsey und Bain haben für einige Absolventen das Jahr 2024 als Antrittsdatum festgelegt. Laut Michael Mische an der University of Southern California, einem ehemaligen Direktor von KPMG und AT Kearney, ist es das erste Mal seit Jahrzehnten, dass große Beratungsunternehmen in einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld gleichzeitig Entlassungen vornehmen und den Starttermin für Neueinstellungen verschieben.

Asutosh Padhi, geschäftsführender Partner von McKinsey in Nordamerika, erklärte, dass sich Schwankungen in der Arbeitsbelastung – von zu viel bis zu wenig Arbeit – für Berater in der Anfangsphase drastisch anfühlen könnten. Dennoch fürchteten sich die Firmen davor, bei Arbeitsflaute Stellen zu streichen, weil sie sicherstellen müssten, dass sie auch in Zukunft über leitende Mitarbeiter verfügen werden. McKinsey stelle mit einer langfristigen Perspektive ein. „Wenn wir zu irgendeinem Zeitpunkt aufhören, Mitarbeiter zu rekrutieren und einzustellen, spüren wir die Auswirkungen für die nächsten sechs bis acht Jahre“, sagte Padhi.

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Alicia Pittman, Managing Director und Senior Partner bei der Boston Consulting Group, die für die Entwicklung und Leistungsbeurteilung in Nordamerika zuständig ist, sagte, dass Berater ohne einen Kundenauftrag durch Projekte lernen können, die die Arbeitsweise ihres eigenen Unternehmens verbessern. Aber es sei verständlich, dass einige gestresst sind. „Wir stellen die anspruchsvollsten Leute ein, die lernen und sich weiterentwickeln wollen“, sagte sie. „Sie fragen sich immer: ‚Erfahre ich das Richtige, tue ich das Richtige, werde ich etwas lernen?'“

Junge Berater befürchten, dass die Flaute dazu führt, dass sie aus dem Unternehmen gedrängt werden oder dass ihre Leistungsbeurteilungen schlecht ausfallen, was sie von ihrem Weg in die Spitzenpositionen in Unternehmen oder als Unternehmer abhält.

Die wirtschaftliche Ungewissheit des vergangenen Jahres hat die Unternehmen in den Sparmodus getrieben, und die Beratungsunternehmen sind die ersten Opfer. Von hundert amerikanischen Beratungskunden, die das Marktforschungsunternehmen Source Global Research in diesem Jahr befragte, gaben 65 Prozent an, dass die meisten Beratungsprojekte pausiert hätten, während 75 Prozent einige storniert hätten.

Ein Grund dafür, dass junge Berater derzeit nicht genug Arbeit haben, ist auch, dass es so viele von ihnen gibt. Die Zahl der Mitarbeiter bei McKinsey stieg von 17.000 im Jahr 2012 auf etwa 46.000 im Jahr 2023. Bain hat nach eigenen Angaben in den letzten Jahren Dutzende von Teams aufgestockt.

Bain hat den MBA-Absolventen mitgeteilt, dass das Unternehmen ihnen 40.000 Dollar zahlt, wenn sie bis zum nächsten April warten, um für eine gemeinnützige Organisation zu arbeiten, oder 30.000 Dollar, um in der Zwischenzeit eine neue Sprache zu lernen. Die Firma bietet den Bewerbern 20.000 Dollar, um bis zum April anderen Interessen nachzugehen. „Gehen Sie auf eine afrikanische Safari oder besuchen Sie einen Malkurs“, heißt es laut Wall Street Journal in einem Dokument.

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.