Trend zum Hybrid
Immer mehr Topschulen nutzen einen Mix aus Online-Elementen und Präsenzphasen, um die Abwesenheit vom Arbeitsplatz zu verringern. Entscheidend ist dabei das richtige didaktische Konzept.
„In manchen Aspekten ist ein Online-Programm dem Präsenzunterricht sogar überlegen”, behauptet Paris de L’Estraz, Associate Dean für Blended Programs an der IE Business School in Madrid. Denn während es im Klassenzimmer immer ein paar Studenten gebe, die sich nicht oder nur wenig am Unterricht beteiligen, könne man beim Online-Unterricht jeden einbeziehen.
An der spanischen Topschule gibt es zwei Executive MBA-Programme, die vor allem online durchgeführt werden. Beim International Executive MBA, der sich an Teilnehmer mit langjähriger Berufs- und Führungserfahrung richtet, treffen sich die 90 Studenten aus aller Welt dreimal für jeweils zwei Wochen in Madrid und Shanghai. Beim Global MBA mit über hundert Studenten sind es je zwei Wochen in Madrid am Anfang und Ende des Programms. Zwischen den Modulen gibt es regelmäßige Online-Diskussionen, bei denen die Teilnehmer ihre Bearbeitung von Fallstudien präsentieren und diskutieren.
„Die beiden Studiengänge sind die am schnellsten wachsenden Programme an unserer Schule“, sagt de L’Estraz. Wachstum im Bereich der Managementausbildung werde es künftig vor allem bei den Blended-Learning-Programmen geben. Grund für die Kombination von Online- und Präsenzelementen sei vor allem der Zeitfaktor. „Die Teilnehmer können heute nicht mehr solange weg von ihrem Job“, sagt der Professor. Doch ganz ohne persönlichen Kontakt funktioniere es nicht. Nur so ließe sich Vertrauen aufbauen und erst wenn das vorhanden sei, könne man auch in virtuellen Teams zusammenarbeiten.
Galten MBA-Fernstudiengänge lange Zeit als die Billig-Variante des Managementstudiums, so setzen heute immer Topschulen auf umfangreiche Online-Elemente. Einer der Vorreiter ist die Fuqua School of Business an der Duke University in North Carolina. Bereits seit 1996 gibt es dort den Cross Continent MBA mit 40 Prozent Online-Elementen. „Nur so kann man ein wirklich globales Programm anbieten und die Teilnehmer aus alles Welt vernetzen“, behauptet Fuqua-Dean Blair Sheppard.
Dabei seien die Online-Einheiten so gestaltet, dass sie die Präsenzphasen optimal ergänzen. „Zu Hause sind die Teilnehmer viel stärker mit ihrem eigenen Arbeitsalltag verbunden“, erklärt Sheppard. Dagegen stehe bei den Modulen in London, St.Petersburg, Dubai, Delhi, Shanghai, Singapur und den USA die intensive Interaktion mit den anderen Studenten und das Verständnis für die Geschäftskultur des jeweiligen Landes im Vordergrund. Gerade bei der Bearbeitung von virtuellen Teamprojekten sei der Online-Austausch besser geeignet, weil er mehr Zeit für Reflexion lässt.
„E-Learning wird oft gleichgesetzt mit dem Durcharbeiten von vorproduziertem Material“, sagt der Fuqua-Dean. Dabei gehe es vor allem auch um die Ko-Produktion von neuen Inhalten. Das Konzept kommt offenbar an. Obwohl der Cross Continent MBA mit Studiengebühren in Höhe von 120.100 Dollar kein Schnäppchen ist, konnte die Schule im vergangenen Jahr fast 45 Prozent mehr Bewerber verzeichnen.
Es sei ein Irrtum zu glauben, Studiengänge mit hohen Online-Anteilen seien billiger, warnt L`Etraz. Denn der Unterricht sei wesentlich betreuungsintensiver. So teile man an der IE Business School die MBA-Klasse stets in Tracks mit maximal 32 Teilnehmern auf. „Das ermöglicht es uns, den Prozess optimal zu managen und alle intensiv einzubeziehen“, erklärt der Professor für Entrepreneurship. Im Vollzeitprogramm säßen dagegen 65 Studenten in der Klasse.
Auch bei den Professoren ließe sich nicht sparen. So sei es Fehler, wenn manche Schulen ihre Topprofessoren nicht in den Online-Unterricht integrieren – auch wenn es für einen Professor wesentlich einfacher sei, eine Vorlesung im Klassenzimmer abzuhalten, als kontinuierlich pro-aktiv im Dialog mit allen Studenten zu sein und ihre Fragen zu beantworten. „Wir zwingen auch unsere besten Professoren dazu, online zu lehren“, so der IE-Professor. Das Erfolgsgeheimnis eines guten Blended-Learning-Programms sieht er daher in der optimalen Kombination von Technologie, Didaktik und den besten Professoren. „Entscheidend ist nicht die Technologie, sondern ihr sinnvoller Einsatz“, so L`Etraz.
Stuart Dixon findet es gut, dass immer mehr Topschulen Hybrid-Programme anbieten. „ Das gibt dem Ganzen eine höhere Wertschätzung“, glaubt der Direktor des Euro*MBA, der bereits seit 15 Jahren auf Blended Learning setzt. Das Programm ist ein Gemeinschaftsprojekt von sechs europäischen Schulen, zu denen neben der französischen Audencia Nantes School of Management, auch die niederländische Universiteit Maastricht Business School und die Handelshochschule Leipzig (HHL) gehört. Die Pflichtfächer werden per E-Learning und Textbuch vermittelt.
„Unsere Hauptaktivität ist das Online-Diskussionsforum“, erklärt Dixon. Weil die Teilnehmer dort für ihre Beiträge bewertet werden, bemühten sie sich, auch neue Forschungsergebnisse oder Erfahrungen in die Gruppe zu bringen. Zudem treffen sich die Teilnehmer drei Wochen pro Jahr an den Partnerschulen. „Hier geht es vor allem um die Integration der Kernfächer“, erklärt der Direktor. Dabei profitiere man von den Spezialgebieten jeder Schule. So nütze man zum Beispiel das Center of Innovation an der HHL, um sich mit umweltfreundlichen Innovationen zu beschäftigen, während sich die Studenten in Audencia mit dem dort stark vertretenen Bereich Corporate Social Responsibility (CSR) auseinandersetzen.
Zwar wird es auch künftig nicht ganz ohne persönliche Kontakte gehen, Andreas Hackethal glaubt dennoch, dass die neuen Entwicklungen bei der Telepräsenz den Unterricht verändern. „Bei den hochauflösenden Live-Übertragungen auf großen Bildschirmen haben die Teilnehmer das Gefühl, mit ihren Kollegen im selben Raum zu sitzen“, erklärt der Dean der Goethe Business School in Frankfurt. Er könne sich daher gut vorstellen, dass Studenten an verschiedenen Orten künftig mit Hilfe der Telepräsenz gemeinsam Vorlesungen besuchen und an Projekten arbeiten.