Prozess gegen Ex-EBS-Präsident Jahns: Kehrtwende der Verteidigung

Von am 27. Juli 2014
Strafprozess Ex-EBS-Präsident Jahns

War es bisher vor allem die Verteidigung, die mit immer neuen Beweisanträgen das Strafverfahren gegen den ehemaligen EBS-Präsidenten Christopher Jahns wegen Untreue-Verdacht in die Länge zog, drängt sie nun plötzlich auf die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldzahlung – wegen der schweren Herzprobleme des Angeklagten.

Noch Ende Mai stellte Jahns Verteidiger Alfred Dierlamm 21 neue Beweisanträge, forderte die Vernehmung von weiteren Zeugen und behauptete, das Gericht habe keinen einzigen Beleg für seinen Untreue-Vorwurf. Dabei präsentierte Dierlamm eine „mit Akribie erarbeitete Recherche“, bei der er „Akten in einen Umfang ausgewertet habe, der einen 7,5-Tonner füllen würde“ – wie der Wiesbadener Kurier am 28. Mai schrieb.

Doch welche Belege Dierlamm – erst mehr als ein Jahr nach Prozessbeginn und damit reichlich spät – nun für Jahns Unschuld gefunden haben will, ist bisher nicht bekannt. Dem ehemaligen Präsidenten der EBS Universität für Wirtschaft und Recht wird vorgeworfen, dass er 180.000 Euro veruntreut hat. Das Geld wurde von der Hochschule an die Beratungsfirma BrainNet überwiesen, an der Jahns damals beteiligt war, ohne dass es – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – dafür entsprechende Leistungen gab.

Die Gelder sollen dann – das belegen Kontoauszüge – von BrainNet an Jahns eigene Firmen in der Schweiz weiter geleitet worden sein. Eine Rechtsgrundlage, nach der Jahns Geld von der Hochschule – deklariert als Investitionskosten – an BrainNet zahlen und an seine Firmen weiterleiten durfte, gab es dabei offenbar nicht. Das Gericht geht daher davon aus, dass die 180.000 Euro nur Teil eines Systems sind, bei dem Gelder aus der EBS über BrainNet an seine Privatfirmen bezahlt wurden. Jahns bestreitet nach wie vor seine Schuld.

Bereits Ende Oktober 2013 hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, noch eine Bewährungsstrafe für Jahns zu akzeptieren, wenn dieser Einsicht zeige – also ein Geständnis ablege. Bei der Vielzahl der Fälle gewerblicher Untreue könne die Strafe eigentlich nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Laut Gesetz liegt die Mindeststrafe bei gewerblicher Untreue bei sechs Monaten Freiheitsentzug.

Jahns Verteidiger Dierlamm sah in dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft jedoch offenbar eine Drohung und stritt heftig um die Protokollierung des Gesprächs, das außerhalb der Verhandlung stattgefunden hat. Auch von einer möglichen Revision war bereits die Rede. Dass Dierlamm – laut Wiesbadener Kurier – nun klagt, dass die Fortführung des Prozesses, „der schon jetzt Millionen Euro gekostet habe“, unverhältnismäßig sei, zeugt daher durchaus von einer gewissen Chuzpe.

Nachdem die Verteidigung Ende Mai ihre neuen Beweisanträge eingebracht hatte – von denen einige inzwischen abgelehnt wurden – war Jahns dann beim nächsten Verhandlungstermin im Juli schwer erkrankt. Fast hatte man schon den Verdacht, die Strategie der Verteidigung sei es nun, das Hauptverfahren solange zu unterbrechen, bis es nach Paragraph 229 (Höchstdauer einer Unterbrechung) wieder von vorn beginnen müsste.

Doch das Gericht beauftragte das Deutsche Herzzentrum in Berlin mit der Überprüfung des Gesundheitszustands von Jahns und das kam zu dem Schluss, dass der Angeklagte reise- und verhandlungsfähig ist. Allerdings raten die Ärzte, den Prozess möglichst schnell zu Ende zu bringen, da die gesundheitlichen Probleme – stressbedingt – erneut auftreten könnten. Jahns Verteidiger sieht das naturgemäß anders. Er legte eine Stellungnahme des Cardio-Zentrums der Charite in Berlin vor, die eine Fortsetzung der Verhandlung für aus „fachmedizinischer Sicht“ nicht vertretbar und „mit unkalkulierbaren Risiken verbunden“ hält.

Wie es genau um den Gesundheitszustand Jahns stehen soll, kann man detailliert in der FAZ nachlesen. So soll der 45-Jährige nachts wegen Herzrasen und Lähmungserscheinungen in einer Gesichtshälfte in die Notaufnahme einer Berliner Klink gebracht worden sein und mit Blutverdünnern und Betablockern ruhig gestellt werden. Selbst die Risikoschwangerschaft seiner Ehefrau Nicole Gaiziunas und die Geburt eines Sohnes ist FAZ-Redakteur Ewald Hetrodt dabei eine Erwähnung wert.

Dierlamm drängt daher nun auf die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage nach Paragraph 153 und 153a der Strafprozessordnung. Danach kann ein Verfahren gegen Auflagen beendet werden, wenn die Schuld des Angeklagten nur als gering gesehen werden könne. Sogar den Rechtsstreit gegen das Land Hessen – Jahns hatte geklagt, weil er sich durch die Staatsanwaltschaft vorverurteilt sieht – wolle man einvernehmlich beenden. Soweit bekannt, ist die Beweisaufnahme in dem Verfahren allerdings schon abgeschlossen. Das Urteil soll im September verkündet werden.

Damit es zu einer Einstellung des Untreue-Verfahrens kommt, ist jedoch die Zustimmung der Staatsanwaltschaft notwendig. Und die scheint davon nicht begeistert zu sein, wie FAZ-Redakteur Hetrodt in seiner fast schon grotesken Kolumne über das Kopfschütteln von Oberstaatsanwältin Gabriele Türmer feststellt. „Selbst, wenn sie entschlossen ist, nicht nachzugeben, kann sie mit dem Kopf nicken“, schreibt Hetrodt. „Damit signalisiert sie die Bereitschaft, sich die Sache wenigstens noch einmal zu überlegen.“ Aber selbst das sei ihr zu viel gewesen und sie habe „heftig, beinahe trotzig den Kopf“ geschüttelt.

Geradezu herzzerreißend beschreibt Hetrodt dagegen die Situation des Angeklagten: „Er wollte kämpfen. Jetzt kann er nicht mehr. Er ist bereit zu zahlen. Aber die Oberstaatsanwältin schüttelt mit dem Kopf.“ Was der FAZ-Redakteur dabei offenbar vergisst: Hier geht es nicht um das – durchaus nachvollziehbare – Leiden des Angeklagten, sondern um die Aufklärung einer möglichen Straftat.

Der nächste Verhandlungstermin ist am 30.Juli. Dann wird die Oberstaatsanwältin Stellung dazu nehmen, was sie von dem Vorschlag der Verfahrens-Einstellung hält. Es folgt eine Verhandlungspause bis 1. September und damit Zeit für Jahns, sich zu erholen. Bisher sind insgesamt fünf weitere Termine bis Anfang November angesetzt. Das Verfahren geht also weiter – sollte die Staatsanwältin bei ihrem Kopfschütteln bleiben.

 

 

 

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.