Jahns-Prozess: Existentielle Gefährdung der EBS?

Von am 13. Februar 2020
Existentiell gefährdet EBS

Am 19. März soll der Untreue-Prozess gegen den ehemaligen EBS-Präsidenten Christopher Jahns wieder aufgenommen werden. Das Gericht wollte das Verfahren gegen eine Geldauflage einstellen. Die maßgebliche Begründung: eine existentielle Gefährdung der EBS.

Wäre es nach dem Landgericht Wiesbaden gegangen, dann wäre das Strafverfahren gegen den Christopher Jahns eingestellt worden, wenn der ehemalige Präsident der EBS Universität für Wirtschaft und Recht eine Geldauflage von 50.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation gezahlt hätte. „Die 6. Strafkammer hat die Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage angeregt, weil sie die Voraussetzungen dafür als gegeben erachtet“, schreibt die Pressestelle des Landgerichts Wiesbaden. „Als maßgeblichen Umstand hat die Kammer bei dieser Bewertung die von der EBS geäußerte Besorgnis einer existentiellen Gefährdung durch die (erneute) öffentliche Aufmerksamkeit berücksichtigt.“

Ein Schuldeingeständnis war mit dem Einstellungsvorschlag des Landgerichts nicht verbunden, schreibt die Pressestelle der Staatsanwaltschaft. Sie lehnte die Einstellung ab.

„Dem Verfahren liegt eine durch das Landgericht Wiesbaden zugelassene Anklage der Staatsanwaltschaft Wiesbaden zugrunde“, schreibt die Staatsanwaltschaft. „Nach der ersten Hauptverhandlung in diesem Verfahren geht die Staatsanwaltschaft weiterhin von einem hinreichenden Tatverdacht aus.“ Die Durchführung der neuen Hauptverhandlung werde „aufgrund des fortbestehenden Verdachts einer erheblichen Straftat für erforderlich erachtet“. Daher habe die Staatsanwaltschaft dem Landgericht auch mitgeteilt, dass eine Einstellung des Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung nicht in Betracht kommt. Die Erörterung und Bewertung der Sach- und Rechtslage werde sodann Gegenstand der Hauptverhandlung sein.

Jahns wird vorgeworfen, dass er 180.000 Euro veruntreut hat. Das Geld wurde von der EBS an die Beratungsfirma BrainNet überwiesen, an der er damals beteiligt war, ohne dass es – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – dafür entsprechende Leistungen gab. Die Gelder sollen dann von BrainNet an seine eigene Firmen in der Schweiz weitergeleitet worden sein. Er bestreitet seine Schuld.

Unterstützen Sie MBA Journal mit einem Betrag Ihrer Wahl, wenn Sie weiter fundiert recherchierte News lesen wollen.
Spenden mit dem PayPal-Button

2014 wurde der Prozess wegen des Verdachts auf gewerbsmäßige Untreue vorübergehend eingestellt, weil der Angeklagte wegen psychischer Probleme nicht verhandlungsfähig war. Doch während er vor Gericht als verhandlungsunfähig galt, legte der „Entrepreneur & Digital Pioneer“ erstaunliche Aktivitäten an den Tag. Er gründete eine Hochschule, schulte Manager und trat bei zahlreichen Kongressen und Veranstaltungen auch im Ausland auf.

Dennoch weigerte sich Jahns, seinen Gesundheitszustand erneut überprüfen zu lassen. Schließlich erklärte er sich doch zu einem neuen Gutachten bereit. Im Februar 2019 wurde bekannt, dass er wieder verhandlungsfähig ist.

Der Einstellungsversuch des Gerichts ohne Schuldeingeständnis ist vor allem bemerkenswert, wenn man etwas zurückblickt. So berichtete die FAZ im November 2013 über ein Verständigungsgespräch zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, bei dem die Anklage eine Bewährungsstrafe in Aussicht stellte, falls Jahns ein Geständnis ablege, was dieser ablehnte. Die Anklage impliziere die Möglichkeit einer Freiheitsstrafe, so ein Staatsanwalt damals.

Merkwürdig wird es aber vor allem bei der Begründung des Gerichts. Denn maßgeblich für den Einstellungsversuch sei „die von der EBS geäußerte Besorgnis einer existentiellen Gefährdung durch die (erneute) öffentliche Aufmerksamkeit“. Dabei bezieht sich das Gericht laut eigener Aussage auf das Schreiben des damaligen EBS-Anwalts vom März 2016.

Damals stand es in der Tat nicht gut um die finanzielle Situation der EBS. Das änderte sich allerdings im Juli 2016, als die SRH-Holding bzw deren Tochterunternehmen SRH Higher Education die Privatuni übernahm. 18 Millionen soll SRH der EBS dafür zur Verfügung gestellt haben, etwa 20 Prozent davon sollten der Kaufpreis gewesen sein.

Ob dem Gericht das alles entgangen ist? Oder ob das vier Jahre alte Schreiben nur ein Strohhalm war, um das Verfahren möglichst schnell zu beenden?

Interessant wäre natürlich, ob die 2016 geäußerte Befürchtung der EBS heute überhaupt noch auf die EBS zutrifft. Ist die EBS – und damit letztlich auch SRH – durch die erneute öffentliche Aufmerksamkeit wirklich existentiell gefährdet? Auf Anfrage schweigt sowohl die EBS als auch SRH.

Glaubt man dem Artikel von Christoph Cuntz im Wiesbadener Kurier, dann setzt sich die EBS auch heute noch für die Einstellung des Strafprozesses ein. So titelt das Blatt: „Jahns-Prozess: EBS und Gericht gegen die Wiederaufnahme.“ In dem Artikel schreibt Cuntz, dass der EBS-Anwalt in einem Schreiben, das der Zeitung vorliege, die Konsolidierung der EBS durch die Medienberichterstattung über eine neue Hauptverhandlung gefährdet sehe. Der EBS entstünde dadurch „erneut (weiterer) substanzieller Schaden“. Dass das Schreiben von 2016 ist, schreibt er nicht.

Zudem sei der EBS durch Jahns selbst kein Schaden entstanden – ein Argument, das der Sprecher von Jahns, Dirk Metz, bereits vergangenes Jahr anführte. Das sei, so die Staatsanwaltschaft im August 2019, völlig unerheblich: „Bei dem Vorwurf der Untreue handelt es sich um ein Offizialdelikt, welches von Amts wegen zu verfolgen ist.“

Auch die Süddeutsche Zeitung macht sich bemerkenswert stark für den Angeklagten und drückt dabei kräftig auf die Tränendrüse. Der Artikel mit dem Titel „Auf Biegen und Zerbrechen“ beginnt mit dem Satz: „Christopher Jahns zittert wieder, die Angst ist zurück, das Misstrauen, die Depression.“ Und er endet mit dem Satz: „Ein zweites Mal mitanzusehen, wie alles um ihn herum einstürzt: Das wird dieser Mann nicht verkraften.“

Das klingt fast so, als ob Jahns demnächst wieder verhandlungsunfähig ist.

In seinem Artikel „Fit fürs Geschäft, krank fürs Gericht“ vom September 2017 zitierte Wolfgang Degen im Wiesbadener Kurier das Bundesverfassungsgericht. Auch für den gesunden Beschuldigten stelle eine Verhandlung „regelmäßig eine erhebliche psychische und oftmals auch nicht geringe physische Belastung dar“. Derartige Risiken seien „unvermeidbar und müssen im Interesse einer wirksamen Rechtspflege hingenommen werden“.

 

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.