Hat die GWPs MBA Journal gehackt?

Von am 24. Februar 2016
Fotolia ©Tomasz Zajda

Die Gesellschaft für angewandte Wirtschaftspsychologie hat auf ihrer Website einen Link auf eine Datei von MBA Journal publiziert, die dort nie veröffentlicht wurde, und auch sonst agiert der Verband recht fragwürdig.

Der Vorfall ist rätselhaft. Die Gesellschaft für angewandte Wirtschaftspsychologie (GWPs) hat auf ihrer Website mit einem Link auf eine pdf-Datei von MBA Journal verwiesen, die nie auf MBA Journal veröffentlicht wurde. Und was noch merkwürdiger ist: Die Datei wurde nachweisbar erst im Mai 2015 erstellt und dann als Entwurf auf MBA Journal hochgeladen. Dabei generiert das System automatisch einen Link mit dem Monat, in dem eine Datei hochgeladen wurde. In dem von der GWPs veröffentlichten Link steht jedoch nicht Mai 2015, sondern September 2014. Zu dem Zeitpunkt war der Artikel ursprünglich in der Printausgabe der Tageszeitung Die Welt erschienen. Bisher ist nicht geklärt, wie das möglich war und ob es sich dabei sogar um einen Fall von Hacking handelt.

In dem – nach wie vor völlig korrekten – Artikel geht es darum, wer sich als Wirtschaftspsychologe bezeichnen darf. Darüber gibt es seit geraumer Zeit Streit. Während der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) ein mindestens vierjähriges Psychologiestudium (Bachelor und Master) als Voraussetzung für das Führen der Berufsbezeichnung als notwendig hält, behauptet die GWPs, die Berufsbezeichnung sei nicht geschützt und auch wer – ohne jegliche psychologische Vorkenntnisse – nur ein zweijähriges berufsbegleitendes Master-Studium in Wirtschaftspsychologie absolviert hat, dürfe sich daher als Wirtschaftspsychologe bezeichnen. Mitglieder der GWPs sind vor allem Vertreter von Fachhochschulen. Präsident ist der Diplom-Psychologe, Berater und Professor an der Fresenius Hochschule Christian Dries.

Grund für den Streit sind die Veränderungen durch die Bologna-Reform. Bis dahin gab es nur das Diplom-Studium, bei man im Hauptstudium den Schwerpunkt Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie wählen konnte. Der Begriff Wirtschaftspsychologie war damals kaum verbreitet. Demnach ist Wirtschaftspsychologie eine Spezialisierung, die auf einem Grundlagenstudium in Psychologie aufsetzt. Mit den neuen Bachelor- und Master-Studiengängen ist es komplizierter. Denn nun gibt es nicht nur Bachelor in Wirtschaftspsychologie, sondern auch nicht-konsekutive Master für Studenten ohne psychologische Vorkenntnisse. Doch dürfen die sich als Wirtschaftspsychologe bezeichnen?

Nein, sagt der BDP, der als Berufsverband der Psychologen natürlich Interesse daran hat, die Berufsbezeichnung Wirtschaftspsychologe zu schützen. Schließlich haben die meisten in der Wirtschaft tätigen Psychologen heute noch ein Diplom. Er beruft sich dabei auf das Gesetz über unlauteren Wettbewerb. Mit der Berufsbezeichnung „Psychologe“ sei ebenso wie mit dem „Wirtschaftspsychologen“ eine bestimmte Qualifikation verbunden, auf die Verbraucher vertrauen können müssten, schreibt der BDP auf seiner Website. Im vergangenen Jahr hat der Berufsverband dabei einen Prozess gegen einen Lübecker Anbieter gewonnen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zudem hat er Klage gegen den Professor einer Münchner Privathochschule erstattet.

Auch die GWPs verfolgt ihre eigenen Interessen. Weil Wirtschaftspsychologie ein begehrtes Fach ist, haben vor allem private Hochschulen hier ein lukratives Geschäft entdeckt und bieten für mehr als 10.000 Euro Master-Studiengänge für Studenten ohne psychologische Vorkenntnisse an. An der Euro-FH wird man dabei sogar nicht einmal zum Master-Fernstudium zugelassen, wenn man bereits einen Bachelor in Psychologie oder Wirtschaftspsychologe hat. Der Master wende sich speziell an Berufstätige mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund ohne psychologische Vorkenntnisse, heißt es auf der Website. Auch die GWPs definiert Wirtschaftspsychologie neu und sieht darin eine Verbindung psychologischer und betriebswirtschaftlicher Inhalte. Danach muss ein Wirtschaftspsychologe auch eine betriebswirtschaftliche Ausbildung haben – die die meisten Diplom-Psychologen natürlich nicht haben und auch nicht brauchen.

Soweit so legitim. Problematisch wird es aber bei der Argumentation der GWPs. So heißt es auf ihrer Website: „Um die aktuelle Debatte zur Titelführung aufzugreifen, möchten wir an dieser Stelle für alle StudentInnen und AbsolventInnen von Studiengängen der Wirtschaftspsychologie (Bachelor oder Master, Arts oder Science) klar stellen: Wer, wenn nicht Sie, sind berechtigt den Titel „Wirtschaftspsychologe/in“ zu führen. Wenn Sie ein akkreditiertes Studium der Wirtschaftspsychologie an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule abgeschlossen haben, berechtigt Sie dies auch zum Führen des entsprechenden Titels.“

Doch das ist schlichtweg falsch. Denn Akkreditierung und Berufsbezeichnung sind zwei unterschiedliche Dinge. Laut Auskunft der Kultusministerkonferenz ist nur das Führen des akademischen Titels erlaubt, also Bachelor/Master of Science/Arts. Weiter schreibt die KMK: „Nach den hochschulrechtlichen Regelungen aller Länder gilt der Grundsatz, dass Hochschulgrade ausschließlich in der Form geführt werden dürfen, in der sie ausweislich der Urkunde verliehen worden sind. Auf Visitenkarten oder Briefköpfen usw. kann ein ergänzender Hinweis auf den absolvierten Studiengang bzw. die Fachrichtung entsprechend der Bezeichnung auf dem Zeugnis oder der Abschlussurkunde aufgenommen werden.“ Und weiter: „Im Übrigen betrifft die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Namen die Bezeichnung „Psychologe“ oder „Wirtschaftspsychologe“ hinzugefügt werden kann, die Führung von Berufsbezeichnungen, für die die Kultusministerkonferenz nicht zuständig ist.“

Das bestätigt auch Olaf Bartz, Geschäftsführer des Akkreditierungsrates: „Bei der Akkreditierung geht es um die Führung eines akademischen Grades, das Führen von Berufsbezeichnungen ist nicht Gegenstand der Akkreditierung.“

Über die Rechtmäßigkeit der Berufsbezeichnung werden daher wohl die Gerichte entscheiden. Doch auch hier setzt die GWPs auf Desinformation. So schreibt sie auf Ihrer Website, ein Urteil des Landgerichts Berlin (52 O 284/12) mache „deutlich, dass die Nutzung der Bezeichnung „Wirtschaftspsychologe/in“ weder schützbar und schon gar nicht strafbar ist“. Bei dem „Urteil“ handelt es sich um eine Einstweilige Verfügung, die der BDP gegen einen Anbieter eingereicht hatte und die zurückgewiesen wurde. Allerdings hat der BDP in derselben Sache anschließend Hauptsacheklage erhoben und diese gewonnen (siehe oben). Darüber weiß auch GWPs-Präsident Dries mindestens seit November 2015 Bescheid. Trotzdem wird das Urteil verschwiegen.

Da ist es wenig verwunderlich, dass es auf der GWPs-Website immer wieder zu Falschdarstellungen zu den Artikeln der Autorin kam – was auch ein Grund ist, warum der Artikel nicht mehr zugänglich gemacht wird. Zunächst wurde auf einen MBA-Artikel verwiesen, der überhaupt nichts mit Wirtschaftspsychologie zu tun hatte. Dann wurde behauptet, in dem Artikel, in dem es ausschließlich um den Master-Abschluss geht, würden „die Abschlüsse der Bachelor-Studierendenden der Wirtschaftspsychologie in Frage gestellt“. Auf den Hinweis, dass das dort nicht steht, erklärte GWPs-Präsident Dries dann, das habe man eben aus dem Artikel geschlossen. Und nun auch noch der Link auf die niemals veröffentlichte Datei, der inzwischen längst tot ist und erst nach mehrfacher Abmahnung von der Website gelöscht wurde.

Mit welchen Mitteln bei dem Titelstreit inzwischen gearbeitet wird, zeigt die fingierte Anfrage einer angeblichen Studentin der Fresenius Hochschule an die Autorin. Sie wolle mit drei Partnern einen Blog zum Thema Wirtschaftspsychologie und die Frage der Berufsbezeichnung veröffentlichen, schrieb sie und wollte dabei – wie die GWPs – Zugang zu dem besagten Artikel haben. Vor allem aber forderte sie die Beantwortung von Fragen zur Ausbildung der Autorin, die – wie überall nachzulesen ist – Diplom-Psychologin ist. Nachdem ihre Fragen nicht beantwortet wurden, folgten dreiste Unterstellungen („Haben Sie einen Abschluss in Wirtschaftspsychologie? –>NEIN“) und unverblümte Drohungen: „Ohne Ihre Antworten sehen Sie hier sehr schlecht aus.“

Die Fresenius Hochschule bestreitet, etwas mit der unseriösen Anfrage zu tun zu haben. Eine Studentin mit dem Namen gebe es nicht und auch von dem Blog sei nichts bekannt. Auch GWPs-Präsident Dries, der an der Fresenius Hochschule lehrt, bestreitet, etwas damit tun zu haben. Aufhorchen lässt allerdings seine Bemerkung, dass es der GWPs nicht um einen Streit mit Personen gehe, „die sich Titel womöglich anmaßen“ – womit unmissverständlich die Autorin gemeint ist. Auf die Frage, was er damit meint, antwortet Dries nicht.

 

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.