Handelsblatt: Fehlende Substanz

Von am 22. März 2011

Vor ein paar Jahren noch galt das Handelsblatt als führendes deutsches Medium in Sachen MBA-Berichterstattung. Inzwischen gibt es kaum noch Artikel zu dem Thema und  in der MBA-Beilage blamiert sich die Redaktion auch noch kräftig.

In einem Artikel über die Tendenz einiger Hochschulen – dank neuer hochschulrechtlicher Regelungen – auch verstärkt Teilnehmer ohne Erststudium zum MBA-Studium zuzulassen, schreibt die Handelsblatt-Mitarbeiterin. „Auch die WHU in Vallendar, die Fachhochschule Gießen und Fachhochschulen in Rheinland-Pfalz lassen Teilnehmer ohne Erststudium zu.“ Die WHU auf einer Ebene mit Fachhochschulen? Wer die WHU kennt,  wundert sich. Schließlich legt man doch gerade hier Wert auf strenge Zulassungskriterien beim Vollzeit-MBA und beim gemeinsamen Executive MBA Programm mit der Kellogg  School of Management achtet auch die Partnerschule auf die Einhaltung strikter Zulassungskriterien.

Während die Autorin Vertreter der Mannheim Business School und der Goethe Business School  zitiert, die sich deutlich gegen eine Zulassung ohne Erststudium aussprechen,  behauptet sie: „Die Hochschulen, die solche Bewerber zulassen, verteidigen sich“ und nimmt als Beispiel dafür Professor Jürgen Weigand: „Der akademische Leiter des Kellogg-WHU-Executive-Programms nimmt gerne Bewerber auf, die noch nicht studiert haben – wenn sie denn gut sind.“

Mit Weigand gesprochen hat die Handelsblatt-Mitarbeiterin nicht und die Antwort der Pressestelle  auf ihre Anfrage hat nicht viel mit ihrem Artikel zu tun. Auf die Frage: Wie sind Ihre Erfahrungen mit MBA-Studenten ohne Erststudium?“ antwortete die WHU: „Wir lassen für den Fulltime und Parttime MBA keine Teilnehmer ohne Erststudium zu. Zum Kellogg-WHU-Executive MBA lassen wir in Ausnahmefällen auch Bewerber ohne Erststudium zu. Sie  müssen einen absolut herausragenden Werdegang haben und massive internationale  Berufs- und Managementerfahrungen nachweisen und sich einem erweiterten Eignungstest  unterziehen.“ Bei WHU ist man daher mehr als verwundert und verärgert über den Handelsblatt-Artikel.

Lange Zeit warb das Handelsblatt mit dem Slogan „Substanz entscheidet.“ Inzwischen ist Substanz wohl nicht mehr gefragt.

Und so ging die Geschichte weiter…
Manchmal ist die Reaktion auf eine Meldung ja fast schon spannender als die Meldung
selbst. So ist es zumindest bei der obigen News „Fehlende Substanz“.

Kurz nach Erscheinen der Meldung auf meinem Blog rief mich eine ziemlich echauffierte  Tanja Kewes an. Frau Kewes ist Ressortleiterin „Namen und Karriere“ beim Handelsblatt  und als solche auch verantwortlich für die kritisierte Meldung. Zunächst einmal – so  wurde ich belehrt – sei es völlig unmöglich, ein anderes Medium zu kritisieren. So etwas tue man einfach nicht, erklärte mir die 32jährige Ressortleiterin.

Dann triumphierte sie: „Ich habe die Antwort der WHU vor mir liegen. Der Artikel stimmt  so. Da verwechseln Sie etwas.“ Nun ein netter Bluff-Versuch. Nur leider nicht sehr erfolgreich. Zudem hätte sich die WHU ja wohl beschwert, wenn etwas falsch wäre, legte
sie nach. Und zudem, holte sie erneut aus, sei es ja völlig unverantwortlich, den Namen der Autorin zu nennen. Denn die sei schließlich Volontärin und so eine Meldung könne ihre weitere Karriere gefährden. Nun halte ich es zwar für ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Blog-Eintrag die Karriere einer Journalistin zerstört. Aber gut, ich sagte zu, den Namen zu löschen.

Doch damit nicht genug. Am 11.April rief mich die Volontärin an und sprach den Anrufbeantworter. Sie behauptete, sie habe mit – dem falsch zitierten – Professor Weigand  gesprochen (was dieser recht glaubwürdig bestreitet), ich würde falsche Darstellungen verbreiten und das wäre Verleumdung. Außerdem hätte ich zwar ihren Namen gelöscht, aber bei Google sei er immer noch auffindbar. Ich solle daher dafür sorgen, dass binnen fünf Tagen ihr Name bei Google verschwindet (Lernt man eigentlich an der Holtzbrinck Journalistenschule nicht, wie Google funktioniert?) oder den ganzen Beitrag löschen. Sonst würde sie einen Anwalt einschalten.

Das ist nicht nur ziemlich dreist für eine 26jährige Volontärin, es wirft auch ein  befremdliches Licht auf die Arbeitsweise beim Handelsblatt. Zumal sich auch Chefredakteur Gabor Steingart und sein Stellvertreter Hermann-Josef Knipper auf eine entsprechende Nachfrage in Schweigen hüllen.

Der Beitrag war weiter bis Juni unkorrigiert online auf karriere.de. Erst dann besann man sich offenbar und ergänzte noch ein paar korrigierende Sätze. Die forsche Handelsblatt-Volontärin ist inzwischen Redakteurin bei der Wirtschaftswoche.

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.