Fusionspläne: ESMT in Erklärungsnot

Von am 24. Juli 2011

Die Absage kam prompt. Kaum hat Spiegel online am Freitag die Fusionspläne der ESMT in Berlin mit der Frankfurt School of Finance and Management veröffentlicht, teilte die ESMT auf ihrer Website mit, dass man den Vorschlag nicht weiterverfolge – was auch immer das wirklich bedeutet. Dabei wäre der Zusammenschluss gerade für die ESMT eine Chance gewesen, aus der Misere zu kommen. Das zeigt die bisher geheime Präsentation.

 „Creating a leading European Business School in Germany: a joint vision for ESMT and Frankfurt School“ – so der Titel der von der Frankfurt School of Finance and Management erstellten Präsenta-
tion, datiert auf den 24.Juni. An dem hochkarätigen Treffen nahmen für die Frankfurt School Hoch-
schulpräsident Udo Steffens sowie der Stiftungsratsvorsitzende Klaus-Peter Müller, der zudem Aufsichtsratschef der Commerzbank ist, teil. Die ESMT wurde vertreten durch ihren Stiftungsvor-
sitzenden und den Allianz-Chef Michael Diekmann sowie den Deutschland-Chef der Unternehmens-
beratung McKinsey, Frank Mattern.

Die in der Präsentation dargestellten Zahlen zeigen vor allem eines: Wäre es zu einer Fusion gekommen, dann wäre es wohl eher eine Übernahme der kleinen und finanzschwachen European School of Management and Technology (ESMT) durch die deutlich größere und finanzstärkere Frankfurt School geworden.

Ein paar Beispiele: Die Frankfurt School hat 1308 Studenten, die ESMT gerade mal 100. Bei den Professoren sind es rund 42 gegen 21 (genau lässt sich das anhand der Grafik nicht erkennen). Noch gravierender ist der Unterschied bei den Teilnehmern an Weiterbildungsprogrammen: 32.025 gegen 2.418. Auch beim Umsatz lässt die Frankfurt School die ESMT reichlich alt aussehen: 61 Millionen Euro gegen 17 Millionen Euro. Und während die Frankfurter einen Gewinn von fünf Millionen Euro ausweisen, steht bei der ESMT eine Null.

Interessant ist auch der Vergleich mit dem Umsatz anderer deutscher Business Schools. Denn er zeigt, dass die ESMT sogar noch deutlich kleiner ist als EBS und WHU. Zusammen – so die Zahlenspiele – würden Frankfurt School und ESMT umsatzmäßig nicht nur die größte Schule in Deutschland sein, sondern sogar die spanische IESE Business School übertreffen.

Die gemeinsame Schule hätte die kritische Masse, um eine der führenden Business Schools in Europa mit den beiden Standorten Frankfurt und Berlin zu werden, heißt es weiter. Es sei immer noch überraschend, dass keine Business School in Deutschland in den relevanten Rankings und Tabellen erscheint. Dieses Vakuum sollte gefüllt werden. Und es gehöre zur Strategie der Frankfurt School, dies zu tun. Eine Bündelung der Kräfte mit der ESMT würde die Erfolgsaussichten dabei definitiv erhöhen.

Was die Beteiligten dabei vergessen: Größe allein macht noch keine führende Business School. Dazu sind auch noch andere Anstrengungen notwendig. So verfügen weder Frankfurt School noch ESMT über die wichtigen Gütesiegel von Equis oder AACSB. Auch im Bereich Forschung haben beide noch deutlich Schwächen.

Bei der FTD sieht man das anders und bescheinigt der ESMT eine gute Entwicklung. Anfang Juni verkündete das Blatt sogar, dass bereits 2006 mit dem Antritt des inzwischen gegangenen Präsidenten Lars-Hendrik Röller „die von den deutschen DAX-Unternehmen sehnsüchtig erwartete Kehrtwende und der Aufstieg der ESMT in die obere Liga der Business Schools“ einsetzte.

Offenbar inspiriert von meinem Blog-Eintrag vom Mittwochabend berichtete die FTD am Freitag ebenfalls über die Fusionspläne. Dabei waren nicht nur die Überschrift und der erste Satz fast iden-
tisch, auch sonst wurde einiges übernommen – ohne die Quelle zu nennen. Am Samstag nahm sich dann auch die FAZ das Thema vor und zitierte die Frankfurt School, die das Treffen bestätigte, es aber trotz der hochkarätigen Besetzung nur als „Gedankenspiel“ bezeichnete.

Noch am gleichen Tag reagierte die ESMT auf die Berichterstattung. „Wir haben diesen Vorschlag zur Kenntnis genommen und nicht weiterverfolgt“, wird ESMT-Stiftungsvorsitzender Michael Diekmann zitiert. Was auch immer dieser Satz verschleiern soll, es klingt wieder einmal typisch nach ESMT. Getreu dem Motto: Wir sind etwas Besseres und haben das nicht nötig.

Dazu passt auch die Aussage von Interims-Präsident Jörg Rocholl, der offenbar nichts von den Gedankenspielen wusste: „Es ist Teil der Geschäftspolitik der ESMT, kontinuierlich Kooperationen mit ausländischen aber auch nationalen Business Schools zu prüfen. Dort wo sich Synergien für beide Seiten ergeben, wurden in der Vergangenheit auch Kooperationen geschlossen.“ So kooperiere die ESMT aktuell mit Institutionen wie der Chinese Executive Leadership Academy Pudong (CELAP), der Darden Business School der University of Virginia und der Humboldt-Universität in Berlin.

Bedenkt man, wie verbreitet und wichtig gerade internationalen Kooperationen zwischen Business Schools mittlerweile sind, ist das allerdings ein ziemliches Armutszeugnis. CELAP ist eine Kader-
schmiede des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in China. Auf der Website findet man zwar einen Hinweis auf die Zusammenarbeit mit der ESMT von 2006. Ob daraus aber mehr als ein paar gemeinsame Seminare geworden sind, lässt sich nicht erkennen. Auch bei der renommierten Darden Business School Darden beschränkt sich die Kooperation wohl weitgehend auf den Einsatz von Gastprofessoren.

Interessant dabei ist, dass der ehemalige Dean Wulff Plinke noch im August 2010 ganz andere internationale Kooperationspartner nannte: die ISB Indian School of Business Bangalore, die Guanghua School of Management an der Peking University, die RSM Rotterdam und die Tongji University in Shanghai. Gab es die Kooperationen vielleicht nie? Oder wurden sie inzwischen schon wieder beendet?

Zumindest steht die Frankfurt School auch bei den internationalen Partnerhochschulen deutlich besser da und kann sogar mit Auslandsbüros in China, Indien und Kenia aufwarten.

Nun darf man gespannt sein, wie es weitergeht. Denn eines hat die Aktion zumindest gezeigt: Ohne grundlegende Veränderungen wird es die ESMT auch in den nächsten Jahren nicht an die von ihr angestrebte Spitze der europäischen Business Schools schaffen und die Konzerne müssen weiter in das Millionengrab investieren.

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,775678,00.html
http://www.ftd.de/karriere-management/karriere/:mba-markt-frankfurt-school-sondiert-fusion-mit-der-esmt/60082503.html
http://www.faz.net/artikel/C30535/spitzentreffen-frankfurt-school-prueft-fusion-mit-berliner-hochschule-30471088.html

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.