ESMT: Flucht ins Kanzleramt?

Von am 13. Juni 2011

Lars-Hendrik Röller, Präsident der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin, wird ab 1. Juli Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt. Erste Wahl war er dabei offenbar nicht. Röller hat die ESMT zwar vorangebracht, blieb aber hinter seinen eigenen Zielen zurück. Einen Nachfolger gibt es bisher nicht. 

Röller war seit 2006 Präsident der von 25 Konzernen gegründeten ESMT. Unter seiner Leitung machte die Schule zwar Fortschritte, baute ihre Fakultät aus und erhöhte ihr Stiftungsvermögen. Allerdings erreichte Röller die von ihm selbst gesteckten Ziele bei weitem nicht. Das gilt vor allem für die Gewinnung von Professoren. So hatte er sich selbst das Ziel gesetzt, bis 30 Professoren bis Ende 2009 zu gewinnen, Ende 2010 waren es dann gerade mal 24 eigene Vollzeit-Professoren.

Noch immer fehlt der Schule die Reputation und sie lebt vor allem davon, dass die 25 Sponsor-Unternehmen, darunter die Allianz, die Deutsche Bank, Lufthansa, RWE und Thyssenkrupp ihre Mitarbeiter zu Seminaren an die ESMT schicken. Die beiden MBA-Studiengänge mit insgesamt 103 Studenten können wohl nur überleben, weil es massive Stipendien gibt.

Auch wenn die ESMT ständig ihre Erfolge beschwört, die Zahlen zeigen etwas anderes: Der Gesamtumsatz von 2010 lag unter dem von 2008. Die Zahl der Teilnehmer im Bereich Executive Education hat sich seit 2008 kaum erhöht. Rückgänge gibt es bei den maßgeschneiderten Programmen. Laut FT-Rankings lagen die Umsätze 2009 noch bei 8,9 Millionen Dollar, 2011 sind es nur noch 7,7 Millionen Dollar (diesmal aber inklusive Verpflegung).

Er freue sich, „wie gut sich die ESMT in den vergangenen Jahren entwickelt hat“, verkündet dagegen Röller. Er sei sich daher sicher, dass sich „die ESMT auch zukünftig als forschungsstarke und internationalste Business School in Deutschland gut positionieren wird“. Bisher hat die ESMT – soweit bekannt – noch nicht einmal ein Promotionsrecht.

So richtig hat der Präsidenten-Posten nie zu Röller gepasst. Zwar gilt er als renommierter Experte im Wettbewerbsrecht, doch als Chef einer Business School, die sich anfangs gern als das deutsche Harvard positionierte, schien er weniger geeignet. Auf internationalen Konferenzen der Business-School-Szene soll er nur selten gesichtet worden sein und so mancher Dean einer Topschule, der interessiert an Kontakten zur ESMT war, wunderte sich über sein Desinteresse.
 
Vor der ESMT war Röller, der seinen Vertrag erst im September 2010 um fünf Jahre verlängert hatte, Chefvolkswirt der Generaldirektion Wettbewerb in der Brüsseler EU-Kommission. Damals – so hieß es – hätte er seinen Vertrag gern verlängert. Erst als das nicht klappte, soll er sich für die ESMT entschieden haben. Der Schritt zurück in die Politik dürfte ihm daher durchaus gelegen kommen.

Doch was zunächst als großer Erfolg für den Experten für Wettbewerbstheorie aussah, hat inzwischen einen schalen Beigeschmack gewonnen. Denn der neue Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel soll nicht die erste Wahl gewesen sein, schreibt zumindest Der Spiegel. Die Kanzlerin habe sich bei der Suche nach einem Nachfolger für den jetzigen Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann einige Absagen eingefangen. Erst Röller habe dann zugesagt. Dabei werde er bei seinem Amtsantritt am 1. Juli auch nicht alle Aufgaben übernehmen, die sein Vorgänger erfüllte. So komme die – prestigeträchtige – Funktion als Beauftragter für die Weltwirtschaftsgipfel, also als so genannter G-20-Sherpa, erst mit Beginn nächsten Jahres dazu.

Hilfreich in seinem neuen Job dürften Röllers persönliche Kontakte zu den Konzernbossen wie Josef Ackermann, Wolfgang Mayrhuber oder Gazprom-Chef Alexej Miller sein. Mit vielen von ihnen werde er auch künftig zu tun haben, schreibt die Süddeutsche Zeitung, allerdings in neuer Rollenverteilung: „Musste bisher der ESMT-Präsident auf die Konzernbosse zugehen, damit diese Geld für seine Schule locker machen, werden es künftig die Wirtschaftsführer sein, die dem Kanzlerberater ihre Anliegen vortragen.“

Mit dem Weggang Röllers könnte zudem auch eine der rentabelsten Einnahmequellen der Business School leiden: der von Röller aufgebaute Beratungsbereich „Competition Analysis“. Die Tochter-
gesellschaft, die wettbewerbsbezogene Fälle bearbeitet, soll einen erheblichen Teil zum Umsatz beitragen.

Wie es an der ESMT weitergeht, ist offen. Erst im April hatte die Schule ihren Gründungsdekan Professor Wulff Plinke verabschiedet und die Stelle nicht mehr besetzt. Damit ist die ESMT erst einmal führungslos.

http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,767641,00.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftsberater-der-bundeskanzlerin-der-neue-mann-an-merkels-seite-1.1105973
https://www.mba-journal.de/?p=816

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.

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