EBS: Wo für Professoren eigene Gesetze gelten

Von am 2. Oktober 2012

Die EBS Universität für Wirtschaft und Recht unterliegt dem Hessischen Hochschulgesetz. Eigentlich. Doch daran hält sie sich nicht und das Ministerium schaut zu. Das zeigt der Fall von Ralph Tunder. Der ist seit Februar 2006 Juniorprofessor, obwohl die auf sechs Jahre beschränkt ist. Geforscht hat er in der Zeit offenbar auch so gut wie nicht. Dennoch sollte er laut mehreren Insider-Berichten zum Senior Professor berufen werden.

Juniorprofessoren nehmen die Aufgaben von Professoren mit dem Ziel wahr, sich für eine Lebenszeitprofessur zu qualifizieren; ihre Aufgaben in der Lehre sind zugunsten der eigenverantwortlichen Forschung entsprechend zu verringern. Juniorprofessoren werden für die Dauer von drei Jahren beschäftigt. Das Angestellten- oder Beamtenverhältnis soll mit ihrer Zustimmung spätestens vier Monate vor seinem Ablauf um weitere drei Jahre verlängert werden, wenn sie sich in Forschung und Lehre weiterqualifiziert haben. So steht es im Gesetz.

Doch das gilt offenbar nicht für die EBS. Denn dort ist Ralph Tunder bereits seit Februar 2006 Juniorprofessor und damit deutlich über sechs Jahre. Auf der Website des Health Care Management Instituts (HCMI) steht er als „Prof. Dr. rer. pol. Ralph Tunder, Geschäftsführender Direktor“ – ohne den Zusatz von Assistant Professor bzw Juniorprofessor. Die Position hat er laut Lebenslauf bereits seit 2007. Zudem hat er seitdem auch die kommissarische Vertretung des Lehrstuhls für Health Care Management. Ansonsten gibt es an dem Institut nur noch einen Honorarprofessor. Herr Tunder ist zuständig für den Executive MBA in Health Care Management, dessen neue Klasse vor kurzem mit sieben Teilnehmern startete.

„Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst verleiht alle Professorenbezeichnungen – also auch Juniorprofessorenbezeichnungen- an privaten Hochschulen für die Dauer der jeweiligen Beschäftigung. Das hat zur Folge, dass das Recht, eine derartige Bezeichnung zu führen, mit dem Ende der Beschäftigung als Professor bzw. Juniorprofessor von selbst endet“, schreibt das Ministerium. Im Klartext: Herr Tunder dürfte sich nicht mehr Professor nennen.

Auf die Anfrage zum Fall Tunder will sich Pressesprecher Ulrich Adolphs auch auf mehrmalige Nachfrage nicht eindeutig äußern. Er schreibt lediglich: „Allgemein gilt, dass es keine Ausnahmeregelungen für nicht staatliche Hochschulen gibt.“ Allgemein vielleicht schon, aber wohl nicht bei der EBS. Denn die schreibt: „Die EBS befindet sich im Prozess der Evaluation der Juniorprofessur. Sie ist hierbei bezüglich der Fristigkeit in Abstimmung mit dem Ministerium und wird die  Evaluation zeitnah abschließen.“

Das ist nun gleich mehrfach dreist. Denn im Gesetz ist überhaupt keine Evaluation zum Abschluss der Juniorprofessur vorgesehen und schon gar nicht sieben Monate nach Ablauf der Juniorprofessor. Doch kann die EBS einfach gegen das geltende Gesetz verstoßen, ohne dass sich das Ministerium daran stört? Gibt es für EBS ein Sondergesetz? Offenbar.

Ziel einer Juniorprofessur ist es, sich durch Forschungsleistungen für eine Senior Professur zu qualifizieren, so das Gesetz. Auf die Bitte nach den Veröffentlichungen von Herrn Tunder verweist die EBS auf die Website des Marketing-Instituts.  Dort stehen ganze drei Veröffentlichungen in referierten (allerdings wissenschaftlich nicht sehr relevanten) Zeitschriften. Mehr kann die EBS anscheinend nicht nennen. Nicht gerade viel für mehr als sechs Jahre Forschungstätigkeit als Juniorprofessor und für die Qualifizierung für eine Senior Professur.

Dennoch soll man in der EBS entschlossen gewesen sein, ihn zum Senior Professor zu berufen. So erschien am 12.Juli 2012 in der ZEIT eine Ausschreibung für einen „Professor of Health Care Management“, der zudem strategische und wirtschaftliche Verantwortung für das HCMI haben soll – also offenbar für die Stelle, auf der Herr Tunder seit 2007 kommissarisch sitzt. Bewerbungsschluss war 15.August 2012, Arbeitsbeginn 1.September. Derartig kurze Fristen sind bei internationalen akademischen Ausschreibungen völlig unrealistisch. Handelt es sich daher nur um eine Proforma-Ausschreibung?

Die EBS bestreitet das. „Die EBS Business School hat eine Seniorprofessur international ausgeschrieben“, schreibt sie.  Die Berufungskommission habe noch nicht getagt, die diversen Bewerbungen diskutiert oder aber Kandidaten zu einem Berufungsvortrag eingeladen.

Doch warum schreibt man eine Stelle so kurzfristig zum 1.September aus? „Dies ist ein im Hochschulbereich durchaus typisches Vorgehen. Im nationalen wie internationalen Hochschulbereich werden Stellen i.d.R. zeitnah ausgeschrieben bzw. zu typischen Startterminen. Die EBS folgt dieser Praxis und schreibt deshalb i.d.R. auch zu den Startterminen der Semester (hier 1.9. oder 1.1.) aus. Die Berufungskommission handelt dann entsprechend“, schreibt die EBS.

Doch schaut man sich die auf der EBS-Website ausgeschriebenen Professuren an, – die für Health Care Management steht dort seltsamerweise nicht – sind diese keineswegs stets zum Semesterbeginn ausgeschrieben und haben zudem mehrere Monate Vorlauf.

Das Vorgehen passt zumindest zu den Informationen von mehreren Insidern, dass man Herrn Tunder für seine Verdienste im Bereich Health Care Management auf diese Professur hieven wollte – trotz seiner mehr als bescheidenen Forschungsleistungen. Selbst EBS-Präsident Rolf Cremer soll sich dafür ausgesprochen haben. Die EBS bestreitet das nicht. Stattdessen schreibt sie: „Die EBS hält sich an die entsprechenden Vorgaben und insbesondere auch an die Regelungen des Hessischen Hochschulgesetzes.“ Angesichts der mehr als siebenmonatigen Überschreitung der sechsjährigen Juniorprofessur eine recht seltsame Rechtsauffassung.

Dazu kommt, dass Juniorprofessoren der eigenen Hochschule bei Berufungen nur dann berücksichtigt werden können, wenn sie nach ihrer Promotion die Hochschule gewechselt hatten oder mindestens drei Jahre außerhalb der berufenden Hochschule wissenschaftlich tätig gewesen sind. Das ist jedoch bei Herrn Tunder – zumindest laut seinem Lebenslauf – nicht der Fall. Er ist bereits seit 1995 an der EBS und hat 1999 dort promoviert.

Alles offenbar kein Problem für die EBS und den Vorsitzenden der Berufungskommission Professor Franz-Rudolf Esch. Doch nun regt sich wohl doch intern Widerstand gegen die Berufung von Herrn Tunder. Daher soll man ihn nun zum Honorarprofessor küren wollen. Aber auch das wäre ein Verstoß gegen die Berufungsordnung der EBS. Denn danach darf jemand nur dann zum Honorarprofessor ernannt werden, wenn er vier Jahre außerhalb der EBS tätig war.

Insider verwundert das ganze Vorgehen nicht. Schließlich sitzen in der EBS noch immer dieselben Personen an führenden Stellen, die am meisten vom „System Jahns“ profitiert haben. Professor Franz-Rudolf Esch, der auch akademischer Direktor des vor kurzem in die Schlagzeilen geratenen AIM-Instituts ist, gehört zusammen mit Professor Roland Mattmüller, bei dem Herr Tunder promoviert hat, sowie den Professoren Ronald Gleich und Rolf Tilmes zu dem Quartett, das bisher gut an der EBS verdient hat. Denn ihre privaten Institute sind als exklusive Dienstleister für die EBS im Bereich Executive Education tätig. Professor Tilmes wurde sogar im April erneut zum Dekan gewählt.

Da ist es natürlich nachvollziehbar, dass akademische Belange wohl eher zweitrangig sind. Bemerkenswert ist, dass auch EBS-Präsident Rolf Cremer anscheinend kein Veto gegen den Professoren-Schmuh eingelegt hat. Entweder er hat sich inzwischen den umstrittenen Gepflogenheiten an der EBS angepasst oder er kümmert sich nicht darum. So ist aus EBS-Kreisen immer wieder zu hören, dass Cremer kaum präsent und greifbar sei.

Im Oktober 2011 sagte Cremer gegenüber der Autorin, er wisse nicht, ob die EBS noch zu retten sei und erklärte das mit einem Bild: So gebe es Bäume, die nach außen ihre volle Lebenskraft ausstrahlen, im Innern aber längst verrotet sind und dann plötzlich umfallen.

 

 

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.