Angeklagter Ex-EBS-Präsident Jahns startet durch

Von am 6. Februar 2017

Der wegen des Verdachts gewerbsmäßiger Untreue angeklagte Ex-EBS-Präsident Christopher Jahns will in diesem Jahr 4000 Manager an seiner XU University weiterbilden. Die Otto Group hat bereits ihre Topmitarbeiter bei seiner Firma schulen lassen. Und demnächst tritt Jahns auf einem Kongress in Bahrein auf. Nur vor Gericht gilt er noch immer als verhandlungsunfähig. Nun wird ein neues Gutachten erstellt.

„Der Deutsche Christopher Jahns blickt auf viele Jahre in der Bildungsbranche zurück. In Berlin startete er im vergangenen Jahr die Digital-Universität XU… Rund 4000 Manager werden in diesem Jahr die Programme der XU durchlaufen“, heißt es in einem Bericht über das World Economic Forum auf der Website von n-tv. Und auf dem Blog des World Economic Forums schreibt der Gründer der XU Exponential University of Applied Science i. Gr. darüber, wie wichtig die digitale Weiterbildung ist. Auch in der internationalen Logistikszene setzt man auf den ehemaligen EBS-Chef. So steht er auf der Referentenliste der 2. GCC Logistic Conference am 26. und 27. April in Bahrein.

Bereits im Dezember 2015 hatte der ehemalige Präsident der EBS Universität für Wirtschaft und Recht die XU Exponential Education GmbH gegründet. Laut seinem Xing-Profil folgte im Mai 2016 die Gründung XU Exponential University of Applied Science in Gründung, wo er Gesellschafter und/oder Partner ist. Laut Handelsregister wurde die XU Exponential Education GmbH dann am 2. Juni in XU Exponential University of Applied Sciences i. Gr. GmbH umbenannt.

Vertreten wird die Hochschule laut Impressum von seiner Frau Nicole Gaiziunas-Jahns. Jahns selbst bezeichnet sich auf der Website als „XU-Gründer, selber schon digital transformiert, Spiritus Rector, Chef-Innovationstreiber und derjenige, der sich das Ganze ausgedacht hat“. Die XU Berlin – wie die neue Hochschule genannt wird – hat allerdings laut Auskunft der Senatsverwaltung Berlin vom 19. Januar noch keine Anerkennung als Fachhochschule. Sie soll fünf Studiengänge anbieten, davon drei Bachelor und zwei Master. Studienbeginn soll bereits im Herbst 2017 sein.

Verwunderlich ist das vor allem, weil Jahns vor Gericht noch immer als verhandlungsunfähig gilt. Das hatte 2014 das psychiatrisch-neurologische Gutachten eines Sachverständigen der Charité bestätigt. Seit Oktober 2014 ruht daher das Strafverfahren wegen des Verdachts auf gewerbliche Untreue gegen ihn.

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Jahns wird vorgeworfen, dass er 180.000 Euro veruntreut hat. Das Geld wurde von der EBS an die Beratungsfirma BrainNet überwiesen, an der Jahns damals beteiligt war, ohne dass es – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – dafür entsprechende Leistungen gab. Die Gelder sollen dann von BrainNet an Jahns eigene Firmen in der Schweiz weitergeleitet worden sein. Seit April 2013 stand Jahns, der seine Schuld bestreitet, vor Gericht.

Im Juni 2016 erklärte der Angeklagte gegenüber der FAZ, dass es ihm deutlich bessergehe, „jedenfalls solange ich nicht an das Verfahren denken muss“ und dass er sich “schon aus gesundheitlichen Gründen mit dieser Sache nicht mehr so ausgiebig beschäftigen” wolle. Zudem behauptete er in dem Interview, dass „von den Vorwürfen gegen mich praktisch nichts mehr übrig geblieben“ ist.

Das sieht man bei der Staatsanwaltschaft offenbar anders. „Wir drängen auf eine baldige Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit und falls diese wieder vorhanden ist, auf die Wiederaufnahme des Hauptverfahrens”, erklärte die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Wiesbaden im September 2016. Eine vorzeitige Verhandlungsbeendigung, wie sie von Jahns Strafverteidiger Alfred Dierlamm gefordert wurde, habe man abgelehnt. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert.

Am 5. Dezember 2016 teilte das Gericht auf Anfrage mit, dass nun ein Gutachter beauftragt wurde, ein forensisches Gutachten zu erstellen. Bisher liegt das Gutachten nicht vor.

Während Jahns also noch immer als verhandlungsunfähig gilt, scheinen seine Geschäfte bestens zu laufen. So ist Rainer Hillebrand, stellvertretende Vorsitzender der Otto Group, voll des Lobes: „Die Arbeit mit der XU ist ein Baustein, unsere Top-Leute ‚on the edge‘ der digitalen Entwicklungen zu halten. Das ist für unser digital ausgerichtetes Business von sehr großer Bedeutung.“ So steht es auf der Website der XU Exponential University of Applied Sciences i.Gr. GmbH.

Das bestätigt auch Pressesprecher Thomas Voigt: „Die Otto Group als einer der international führenden Onlinehändler schult seine Führungskräfte regelmäßig in Sachen digitaler Transformation. Dies geschieht intern und extern und dies geschieht in Kooperation mit verschiedenen externen Anbietern. Einer davon ist die XU, genauer die XU Exponential Education GmbH in Berlin. Von dieser Beratungsgesellschaft werden Programme zur Einwertung und individuellen Schulung der digitalen Kompetenz von Führungskräften und Mitarbeitern angeboten, die so nach unserer Einschätzung bisher an keiner anderen Einrichtung angeboten wurden. Die Resonanz der Teilnehmer ist durchweg positiv und wir werden diese Angebote weiter nutzen.“

Allerdings schreibt er weiter: „Zu den Hintergründen und zum Stand einer davon völlig unabhängigen Fachhochschulgründung können wir Ihnen keine Auskünfte geben.“ Das ist zumindest seltsam. Denn das Zitat steht ja auf der Website der Hochschule. „Wir haben mit der XU Exponential Education GmbH einen Beratungsvertrag geschlossen, der heute noch so gültig ist“, behauptet Voigt.

Auch die Deutsche Bahn wurde auf der XU-Website zitiert. „Die Stärke des XU Angebots liegt in der Verzahnung diverser Enabling- und Trainingsprogramme mit den eigentlichen strategischen digitalen Initiativen des Unternehmens. So wird an den eigenen Thermen trainiert, erprobt, experimentiert, erklärt und weitergearbeitet – so sieht das Lernen der Zukunft aus und so lohnen sich dann auch die Investitionen der Unternehmen.“ So wurde dort Ursula Schütze-Kreilkamp, Leiterin Personalentwicklung Konzern und Konzernführungskräfte Deutsche Bahn AG“ zitiert. Auf Nachfrage schreibt die Bahn jedoch: „Die Deutsche Bahn steht im Austausch mit der XU und prüft, die eigenen Weiterbildungsprogramme mit dem Angebot der XU zu ergänzen. Ein Vertrag wurde noch nicht geschlossen. Das Zitat war nicht für die Veröffentlichung auf der Website bestimmt, weswegen wir die Löschung der Referenz veranlasst haben.“

Was die XU Berlin eigentlich genau anbietet und wer dort unterrichtet, ist nicht so recht erkennbar. „Wir sind kein klassisches Beratungs- oder Trainingsunternehmen und auch keine klassische Hochschule. Wir sind beides. Das macht uns so einzigartig, das ist unser USP. Wir leben die Digitalisierung und überzeugen nicht mit leeren Worthülsen, sondern durch Kompetenz und Expertenwissen in allen Bereichen der Digitalisierung“, heißt es auf der Website.

Und weiter: „Wir von der XU haben es uns zur Aufgabe gemacht, Unternehmen aller Branchen und Größen durch unsere Co-Creation- und Corporate Education-Programme erfolgreich durch die Herausforderungen einer digitalen Transformation zu begleiten und gleichzeitig mit unseren Hochschulprogrammen die digitalen Fach- und Führungskräfte von Morgen, die digitalen Leader auszubilden. Wir haben für alle Unternehmen, Führungskräfte, Mitarbeiter und Experten das Richtige, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Wir verschaffen den entscheidenden Kompetenzvorsprung.“

Zumindest scheint man sehr von sich selbst überzeugt zu sein, wie sich auf facebook nachlesen lässt. Dort heißt es zum Beispiel: „THINK BIG! Irre: Ein Konzern gibt 3 Mio. aus! Für das Digital-Training seiner Mitarbeiter. In 12er-Seminargruppen. Hunderte Trainings! Das dauert. Ewigkeiten! Mittendrin die Erkenntnis: Ewig taugt nicht! Wir kriegen den Anruf. Wir holen nicht 12, sondern 500 Mitarbeiter aus aller Welt zusammen. Large Scale Intervention. An einem Tag erfahren alle alles über die Große Transformation. Und das hat nicht 3 Mio., sondern „bloß“ 300.000 gekostet. Geht es um Transformation: Groß denken/trainieren!“

Oder: „HOL DIR DEN COACH! Der Digital Coach rettet die Transformation. Deshalb ist er heiß begehrt. Von vielen Unternehmen. Bloß: „Bis unser Kandidat ausstudiert hat, ist es zu spät!“ Mit Verlaub: Das ist Unfug. Einen Crash-Kurs in digitaler Coaching-Kompetenz gibt es bereits ab 3 Seminartagen. An der XU. Viele stocken danach mit dem Advanced-Kurs auf. Während sie schon munter coachen. Die Krönung ist dann der Mini-Master. In nur 3 Semestern. Also: Zeit ist kein Faktor. Kompetenz ist der Faktor.“

Man darf also gespannt sein, wie das neue Gutachten ausfällt und ob der „Chef-Innovationstreiber“ dann vielleicht sogar wieder die Anklagebank im Gerichtssaal drücken muss.

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.