EBS-Affäre: Das hessische Sommertheater

Von am 31. August 2012

Erst schreibt der geschasste Ex-Präsident der EBS, Christopher Jahns, an Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und behauptet, dass sein ehemaliger Arbeitgeber kurz vor der Pleite steht. Dann kontern EBS-Präsident Rolf Cremer und Aufsichtsratsvorsitzender Hellmut Albrecht ebenfalls mit einem Brief an Bouffier und werfen Jahns fragwürdiges Finanzmanagement vor. Und das Ministerium, das die 24,7 Millionen Euro Fördergelder für die EBS locker machte, wirft dem Rechnungshof vor, dass sein Prüfbericht zur EBS falsch ist.

Erster Akt: Der wegen gewerbsmäßiger Untreue angeklagte und zutiefst von seiner Unschuld überzeugte Jahns schreibt einen achtseitigen Brief an Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Darin äußert er seine Sorge um die EBS, warnt vor bilanzieller Überschuldung und betont laut Wiesbadener Kurier: Bis zu seiner Kündigung habe sich die EBS zu einer der global führenden Wirtschaftsuniversitäten entwickelt. 2010 sei das beste Jahr ihrer Geschichte gewesen. Dass die EBS 2010 ihre bisher größten Verluste in Höhe von 2,2 Millionen Euro gemacht hat  – und das trotz elf Millionen Euro Fördergeldern – ignoriert Jahns offenbar. Aber dass sich der 42-Jährige bisweilen seine eigene Realität zurechtlegt, ist nichts Neues. Bemerkenswert ist jedoch, dass er vor kurzem sowohl das Land Hessen als auch die EBS verklagt hat. So groß kann seine Sorge um die EBS daher wohl nicht sein.

Zweiter Akt: Spät, aber immerhin setzt sich die EBS zur Wehr. EBS-Präsident Rolf Cremer und Aufsichtsratsvorsitzender Hellmut Albrecht schreiben auch an Bouffier. Sie werfen Jahns vor, er sei verantwortlich, dass die Hochschule im vergangenen Jahr fast eine Million Euro an das Land zurückzahlen musste, weil die öffentlichen Gelder für den Aufbau der juristischen Fakultät zweckentfremdet wurden. Auch die bombastisch teure Uni-Feier im Wiesbadener Kurhaus für über 600 000 Euro ginge auf seine Kappe.

Die EBS trage schwer am Erbe des früheren Präsidenten, zitiert die Frankfurter Rundschau aus dem Schreiben, das auch an Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU), Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Wiesbadens Oberbürgermeister Helmut Müller (CDU) gegangen sein soll. Nicht nur das Image der EBS habe gelitten, auch „das finanzielle und strukturelle Management der Universität“ unter seiner Führung sei „teilweise fragwürdig“ gewesen. Er habe eine undurchschaubare Führungsstruktur mit zuletzt neun Geschäftsführern „anwachsen lassen“ und die EBS „in einen Teufelskreis aus immer größeren Versprechungen und immer höherem Mittelbedarf geführt“.

Da fragt man sich allerdings, warum gerade Albrecht als Aufsichtsratsvorsitzender dem fragwürdigen Treiben von Jahns nicht nur so lange zugeschaut hat, sondern sich sogar noch schützend vor den Ex-Präsidenten gestellt hat, als die ersten Vorwürfe öffentlich wurden. Hätte Albrecht Jahns damals rechtzeitig fristlos gekündigt, wäre der EBS der Prozess mit Jahns und die Zahlung von 380.000 Euro an ihn erspart geblieben. Sehr glaubwürdig ist Albrecht daher nicht.

Auch EBS-Präsident Cremer, der nun den Augias-Stall ausmisten muss, hat inzwischen ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn statt mit eindeutigen Fakten wieder Vertrauen zu schaffen, setzt er auf Verschleierung und verschweigt zum Beispiel bis heute die genaue Zahl der Studenten. Auch die wahre Finanzlage der EBS ist alles andere als klar.

Dazu kommt die seltsame Kommunikationspolitik. Warum überließ die EBS die Deutungshoheit bisher ausschließlich Jahns, indem sich dieser in den Medien als unschuldiges Opfer von Intriganten und Justiz inszenieren konnte? Und warum spielt man jetzt über Bande und schreibt einen Brief an Bouffier, der dann wieder der Presse zugespielt wird? Warum gibt die klamme EBS viel Geld für eine teure Kommunikationsagentur aus, deren Krisen-PR eher noch weiter in die Krise führt?

Dritter Akt: Eines scheint zumindest klar: Bei der Bereitstellung der 24,7 Millionen Euro Fördergelder ging es nicht koscher zu. Wenn der hessische Landesrechnungshof nun dem Ministerium vorwirft, es habe vor der Förderung die Bonität der EBS nicht geprüft, dann ist das für Insider nichts Neues.

Bereits im Mai 2010 soll es eine Krisensitzung mit dem damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch, Ministerin Eva Kühne-Hörmann sowie etlichen Staatssekretären gegeben haben, weil man überraschend festgestellt hatte, dass die EBS eigentlich zahlungsunfähig ist und nur dank Fördergeldern überhaupt überleben kann. Dass es diese Sitzung gegeben hat, bestreitet auch das Ministerium nicht.

Doch nun geht das Ministerium in die Offensive. „Im Hinblick auf den Berichtsentwurf des Landesrechnungshofs ist schon jetzt absehbar, dass das Ministerium in vielen Punkten nicht mit dessen Bewertung des Sachverhalts übereinstimmen wird und auch Änderungen in der Darstellung des Sachverhalts durch den Landesrechnungshof erforderlich sein werden, weil diese Fehler enthält“, schreibt der Pressesprecher.

Hat der Rechnungshof also falsch geprüft? Oder passt das Ergebnis nur dem Ministerium nicht? Bei der Opposition herrscht zumindest Alarmstimmung. Sogar ein Untersuchungsausschuss scheint inzwischen möglich.

Nun darf man auf die nächsten Akte im hessischen Sommertheater gespannt sein. Verklagt Jahns jetzt die EBS wegen Rufschädigung? Eilt Ministerpräsident Bouffier Jahns und seiner Ministerin zu Hilfe? Biegt das Ministerium den Bericht des Rechnungshofes zu seinen Gunsten hin? Oder muss Ministerin Kühne-Hörmann gehen? Schmeißt EBS-Präsident Cremer seinen Job, weil er die Schlammschlacht leid ist und kein Land mehr sieht? Verkündet die EBS überraschend, dass sie nun doch pleite ist? Man darf gespannt sein.

Foto Bärbel Schwertfeger, MBA Journal

Über Bärbel Schwertfeger

Bärbel Schwertfeger ist Diplom-Psychologin und seit 1985 als freie Journalistin im Bereich Management, Weiterbildung und Personalentwicklung tätig.